Medikamente
"Patienten werden sterben"–Aufschrei wegen neuem Gesetz
Künftig sollen Fachärzte nur noch Medikamente verschreiben dürfen, die von einem politisch besetzten Gremium freigegeben wurden. Experten sehen Rot.
Das Vereinbarungsumsetzungsgesetz bzw. das "Gesundheits-Zielsetzungs-Gesetz" umfasst Regelungen, wie die Abläufe im Gesundheitssystem in der Praxis funktionieren und beinhaltet Maßnahmen, um gewisse Ziele umzusetzen. Eines dieser "Ziele" ist die Gewährleistung der Medikamente-Versorgung Österreichs.
Im Entwurf des geplanten Vereinbarungsumsetzungsgesetzes (VUG) 2024 soll es – um dieses Ziel zu erreichen – wesentliche Änderungen geben. So soll künftig ein Bewertungsboard entscheiden, welche Medikamente im Spitalsbereich verschrieben und verabreicht werden dürfen.
Experten verärgert
Einen Riesen-Aufschrei gab es deshalb auf medizinischer Expertenseite. Die große Sorge der Ärzte: Patienten mit schweren Krankheiten, die teure Medikamente zur Genesung brauchen, würden dann nicht mit bestem Wissen und Gewissen behandelt werden können.
Eine weitere bekannte Kritikerin ist die renommierte Grazer Anwältin Karin Prutsch-Lang. Sie bringt das Problem auf den Punkt: "Nach dem vorliegenden Entwurf sollen Fachärzte gesetzlich dazu verpflichtet werden, nicht mehr die am besten geeigneten Medikamente, sondern nur mehr bestimmte in einer Arzneimittelliste enthaltenen Medikamente zu verabreichen. Welches Medikament in diese Liste kommt, bestimmt ein politisch besetztes Kollegialorgan, das sich Bewertungsboard nennt. Im Bewertungsboard sitzt zwar ein Vertreter der Patientenanwaltschaft, dieser hat aber kein Stimmrecht. Das Bewertungsboard entscheidet aus ökonomischen Gesichtspunkten, welches Medikament Patienten erhalten", so die Juristin.
„Das Bewertungsboard entscheidet aus ökonomischen Gesichtspunkten, welches Medikament Patienten erhalten.“
Einige ihrer Patienten, für die sie in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten große Erfolge erkämpfte, wären mit diesem Gesetz längst tot, ist die Anwältin sicher. "Hätte dieses Gesetz zum Beispiel im Fall von Georg Polic oder vielen anderen von dieser Erkrankung Betroffenen bereits existiert und wäre dieses kostspielige Medikament vom Bewertungsboard aus ökonomischen Erwägungen nicht zugelassen worden, hätte ich zusehen müssen, wie meine Mandanten langsam einen qualvollen Erstickungstod erleiden. Die einzige rechtliche Konsequenz daraus wäre gewesen, dass ich in jedem dieser Fälle danach die Republik Österreich in einem Amtshaftungsverfahren für die qualvollen Leiden dieser Patienten und deren Tod verantwortlich mache und für die Hinterbliebenen eine 'finanzielle Entschädigung' einklage", so Karin Prutsch-Lang.
Verfassungswidrig?
Auch die Zwei-Klassen-Medizin würde so gesetzlich verankert werden. "Wer es sich leisten kann, kann die teure notwendige und geeignete Behandlung bezahlen. Wer es sich nicht leisten kann, wird das Gerichtsverfahren gegen den betreffenden Krankenanstaltenträger mit höchster Wahrscheinlichkeit verlieren", gibt Prutsch-Lang zu bedenken.
Die Advokatin bezweifelt zudem, dass der Gesetzesentwurf verfassungskonform ist. Er greife in ein "absolut geschütztes Rechtsgut – das Recht auf Leben – in einem nicht tolerierbaren Ausmaß ein".