Überfall, Entführung

Oberösterreicher begleitete Weltrekordläufer in Afrika

Er war dabei, als Russ Cook 16.250 Kilometer durch Afrika lief. "Heute" erzählt der junge Dokumentarfilmer Markus Christ, wie es dazu kam.

Nick Wolfinger
Oberösterreicher begleitete Weltrekordläufer in Afrika
Der junge oberösterreichische Filmemacher Markus Christ (l.) in Afrika beim Versuch, mit Rekordläufer Russ Cook mitzuhalten
Guus Van Veen

"Hey mate, are you up to film Russ running the full length of Africa?" – Mit diesem Anruf wurde der oberösterreichische Filmemacher und Musiker Markus Christ (36) zum Weltrekordlauf des Briten Russ Cook (27) eingeladen – wir haben berichtet. Ein Jahr voller Extreme. Von Kap Agulhas, der Südspitze Afrikas, bis Ras Angela, dem nördlichsten Ort des Kontinents in Tunesien. 16.250 Kilometer in 351 Tagen, das hat zuvor noch niemand geschafft.

Immer wieder musste der Mega-Marathon unterbrochen werden: Eine schwere Infektion am 43. Tag, Überfall in Angola am 64. Tag – und eine tagelange Entführung samt Lösegelderpressung im Kongo am 102. Tag. Aber nichts davon konnte Cook aufhalten – wie Forrest Gump lief er immer weiter und weiter, begleitet nur von einem kleinen Team an Betreuern, einem Social Media- und dem Filmteam um Markus Christ.

Zeitweise wurde Russ Cook (Bildmitte) von Unterstützern umschwärmt, wie Forrest Gump im gleichnamigen Kultfilm.
Zeitweise wurde Russ Cook (Bildmitte) von Unterstützern umschwärmt, wie Forrest Gump im gleichnamigen Kultfilm.
desertcut productions

Jetzt ist Christ dabei, das gesammelte Material zu einem Dokumentarfilm zusammenzusetzen: "I am Russ Cook". Markus Christ war 2015 als Teil der Combo "The Makemakes" für Österreich beim Eurovision Song Contest am Start. Nur zwei Jahre später trat er für den Bergfilm "Climb every Mountain" als Regieassistenz in Erscheinung und kurz darauf gründete er sein eigenes Unternehmen, Desert Cut Film Productions. Wie aber wurde aus dem Musiker aus dem Mondseeland so schnell ein Natur- und Abenteuerfilmemacher und wie hat er die 351 Tage in der Wüste und im Dschungel Afrikas erlebt? Wir haben es rausgefunden.

Vom Eurovision Song Contest zum Filmproduzenten

Christ wohnt am malerischen Irrsee in Oberösterreich an der Grenze zu Salzburg. Das Interesse für Sport und Abenteuer ist dem Kind aus dem Mondseeland also bereits in die Wiege gelegt. Sein Interesse fürs Reisen und fremde Kulturen führt ihn als Teenager rasch in ferne Weltregionen. Er arbeitet eine Zeit lang als Kameramann für ServusTV und beginnt, seine Reisen mit immer besserer Ausstattung zu dokumentieren.

Markus Christ mit seiner Kamera
Markus Christ mit seiner Kamera
Thomas Wastian

Rund um die Teilnahme am Song Contest 2015 lernt er dann den Salzburger Filmproduzenten Hannes M. Schalle kennen, der ihn für seine Dokumentarfilme hinter der Kamera engagiert. So filmte er unter anderem die Hansi Hinterseer-Doku "Willkommen in meinem Leben".

Ab in die Wüste

2017 gründet er Desert Cut Film Productions. Die Idee für den Namen entstand bei der ersten seiner vielen Reisen in die Wüste Sahara. Die Weitläufigkeit, die Veränderlichkeit, das Licht, die Rohheit sowie die Einsamkeit spiegelt für ihn ein Gefühl wieder, welches es nur in der Wüste gibt. Ein langes Filmprojekt in Afrika zu realisieren ist so gesehen keine Überraschung. Aber wie kam es zur Zusammenarbeit mit Russ Cook?

"Ich lernte Russ als äußerst sympathischen und zielstrebigen Läufer kennen, der von Anfang an von seinem Vorhaben überzeugt war", erzählt Christ. "Umso mehr motivierte es auch mich, ihn dabei zu begleiten. Keiner von uns wusste, auf welche Hürden, Abenteuer oder Gefahren Russ stoßen würde."

Christ (l.) steht die Erschöpfung schon ins Gesicht geschrieben, Russ Cook strotzt auch nach tausenden Kilometern nur so vor Energie.
Christ (l.) steht die Erschöpfung schon ins Gesicht geschrieben, Russ Cook strotzt auch nach tausenden Kilometern nur so vor Energie.
desertcut productions

Das Laufen rettete Cook vor seiner Alkoholsucht

Cook war spiel- und alkoholsüchtig und kommt aus Worthing, einer Arbeiterstadt in Südengland. "Zum Laufen kam er dadurch, dass er nach einer durchzechten Nacht in einem lokalen Pub nach Hause gelaufen ist, wobei er sein Leben reflektierte und zum Entschluss kam, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu müssen, um aus seiner Situation heraus zu kommen", erzählt Christ. "Heute unterstützt er Jugendliche, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, wie er selbst damals“.

Während seines Laufs durch Afrika – in Echtzeit auf Social Media und YouTube dokumentiert – sammelte er letztendlich über eine Million Pfund (rund 1,2 Millionen Euro) an Spenden für "The Running Charity" und "Sandblast", eine Solidaritätsinitiative für das Volk der Sahauris in der Westsahara.

Das Projekt hatte viele Höhen und Tiefen. Nach 30 Tagen – in Namibia – wurde er krank und lief trotzdem jeden Tag mindestens 40 Kilometer. Darauf hin gab es Komplikationen, sein Körper streikte und er hatte Blut im Urin.
Markus Christ über Russ Cook

Überfall in Angola, Entführung im Kongo

In Angola wurde das Team überfallen: Pässe, Kameras und Laptops wurden gestohlen. Zusätzlich kam es zu einer Entführung einem Dorf im Kongo, wo Russ anschließend auf einem Motorrad sieben Stunden in den Dschungel gefahren wurde, um dann mehrere Leute mit Macheten vorzufinden, die Geld von ihm forderten. Nachdem er mehrfach darauf hingedeutet hat, nichts bei sich zu haben, nahm er sein Glück selbst in die Hand und floh in den Dschungel und entkam den Männern zu Fuß.

Das Kameraequipment gehörte großteils zur Filmproduktion von Markus Christ und seinem Kollegen Joshua Sampiero. Das, was nicht gestohlen wurde, war dem Wüstensand ausgesetzt und wurde entsprechend ramponiert.

Wegzoll in jedem Dorf

Die Grenzübergänge waren grundsätzlich nicht das große Problem der Reise, denn es waren alle erforderlichen Dokumente vorhanden. Jedoch passierte das Team entlang der Route unzählige Polizei- und Militärkontrollen, wo es immer wieder zu Diskussionen und Aufruhr unter anderem aufgrund der Sprachbarriere kam. Des Öfteren wurden solche Checkpoints umgangen und man fuhr von der Polizei davon, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. In Nigeria gab es zusätzlich noch Community-Kontrollen, bei denen einfache Bürger Geld verlangten, um deren Dorf zu passieren.

Trotz mancher Rückschläge wurde Russ Cook von den Einheimischen meist herzlich empfangen.
Trotz mancher Rückschläge wurde Russ Cook von den Einheimischen meist herzlich empfangen.
instagram
Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor jemanden getroffen habe, der so fokussiert und entschlossen war und ist, sein Ziel zu erreichen
Markus Christ über Russ Cook

Derzeit befinden sich Markus und Produktionspartner Joshua Sampiero in Verhandlungen mit Post-Produktionsfirmen und größeren Produzenten mit guten Kontakten zu Netflix & Co. Es wird auf jeden Fall eine Kinotour durch Großbritannien geben.

Ob und wann die Doku auch in heimischen Kinos oder auf einer Streaming-Plattform zu sehen sein wird, ist noch nicht klar – aber die Chancen stehen gut. "Für mich persönlich ist es die größte und atemberaubendste Story, an der ich bis dato beteiligt war", blickt Christ jedenfalls mit Sehnsucht auf sein Jahr in Afrika zurück.

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