Pflege, Ärzte, Sozialgeld
Nur Träume? Die Babler-Forderungen am "Heute"-Prüfstand
24 milliardenschwere Forderungen hat der SPÖ-Chef. Manches scheint sinnvoll, ein Top-Ökonom warnt aber: "Vermögenssteuern dämpfen die Konjunktur."
Seit exakt einem Jahr ist Andreas Babler nun Chef der SPÖ, verpasste den Roten einen klar linken Kurs – und stellte bei seiner "Herz und Hirn"-Rede in Wieselburg (NÖ) 24 Forderungen für Österreich auf. In einem "Heute"-Interview plädierte er für einen Rechtsanspruch auf einen Arzttermin binnen 14 Tagen – und dafür, die Arbeitszeit in der Pflege zu reduzieren.
Das Best-of des großen Babler-Interviews
Wie realistisch sind seine Vorstöße? Wie will die SPÖ die Mehrkosten bezahlen? "Heute" mit einem Faktencheck.
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Was will Babler im Gesundheitsbereich konkret?
Die SPÖ möchte mit ihrem Plan jedem Österreicher einen Facharzttermin binnen 14 Tagen garantieren. Vorbild dafür seien etwa Norwegen, welches über ein gut ausgebautes telemedizinisches System verfügt, und Schweden, wo es gesetzlich vorgeschrieben ist, wie lange die Wartezeit bis zu einer fachärztlichen Konsultation und Behandlung maximal betragen darf. - 2
Wie will die SPÖ den Österreichern das garantieren?
Schaffen möchte Babler diese Mammutaufgabe durch das "Behandlungssicherungsgesetz". Dieses soll die Termingarantie gesetzlich verankern. Zudem soll es auch einen Ausbau der Gesundheitshotline "1450" geben. Sie spielt in dem Plan eine zentrale Rolle und dient als eine Anlaufstelle, über die Termine effizient und schnell an Patienten vermittelt werden sollen. - 3
Wie kommt ein Österreicher im SPÖ-Konzept zu seinem Arzttermin?
Wird man krank und bekommt beim Facharzt seiner Wahl keinen Termin, könne man sich an die Gesundheitshotline wenden. Diese muss in Folge einen Termin bei einem Arzt mit der betreffenden Fachrichtung vermitteln. Wenn die 14-Tage-Frist nicht eingehalten werden kann, muss die Servicestelle einen Behandlungstermin in einem Krankenhaus oder einer eigenen Einrichtung der Sozialversicherung anbieten. Wird die Termingarantie nicht eingehalten, soll ein Patient sein Recht auf Behandlung auch einklagen können. - 4
Wie will die SPÖ dem Ärztemangel entgegentreten?
Für den Babler-Plan braucht es vor allem eines - und das sind Ärzte. Diese fehlen in Österreich derzeit aber. Doch auch dafür will Babler Lösungen haben: Einerseits soll die Zahl der Studienplätze verdoppelt werden. Menschen, die sich vor dem Studium verpflichten, für die Öffentlichkeit zu arbeiten, sollen vorgereiht werden können. Haken daran: Das würde sich erst in einigen Jahren auswirken. Kurzfristig plane man deshalb, dass Wahlärzte dazu verpflichtet werden, ihren Teil zur öffentlichen Gesundheitsversorgung beizutragen. Dafür sollen 10 % ihrer Behandlungen verpflichtend auf Kassenpatienten entfallen. - 5
Das System ist am Limit: Warum will Babler die Arbeitszeiten in der Pflege verkürzen?
Maßnahmen soll es auch in der Pflege geben: "Wir sprechen ja ganz bewusst davon, wenn wir über Arbeitszeitverkürzung und die Arbeitsqualität sprechen, dass wir dort beginnen werden, Stück um Stück die Arbeitszeit zu reduzieren, wo es am schwersten ist, Stichwort in der Pflege", so Babler. - 6
Würde nicht genau das den Pflegenotstand weiter verschärfen?
Das droht, denn es gibt in der Pflege jetzt schon viel zu wenig Personal. Die SPÖ argumentiert wiederum, dass es gerade wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege eine hohe Kündigungsrate gäbe. Eine Verkürzung der Arbeitszeit würde das ändern, der Beruf attraktiver für die Menschen werden. Außerdem möchte die SPÖ, dass der Staat die Ausbildung der Pfleger bezahlt – wie es schon bei der Polizei der Fall ist. Bei niedriger Ausbildungsquote hatte man damals die Entlohnung erhöht und das mit Erfolg. Die Zahl der Auszubildenden bei der Polizei stieg. - 7
Was kostet das und wie soll es der Staat finanzieren?
Billig ist das Vorhaben aber nicht. Für die Finanzierung gibt es laut SPÖ drei Punkte. Erstens soll ein Teil der geplanten Vermögenssteuer dafür verwendet werden. Babler rechnet, dass diese 5 bis 6 Milliarden Euro pro Jahr einbringt. Davon will man 1 bis 2 Milliarden Euro für die Pflege verwenden. Mehr Beschäftigte würden auch die Konjunktur ankurbeln, argumentiert man. - 8
Was sind weitere Kernforderungen von Babler?
Neben den Änderungen im Gesundheitssystem möchte die SPÖ auch noch die Kinderbetreuung ausbauen, eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel einführen und eine Senkung der Einkommens- und Lohnsteuer durchsetzen. - 9
Sind das bloße Träume?
Bei bloßen Ideen soll es nicht bleiben. Im Interview mit "Heute" betonte der SPÖ-Chef: "Wir als SPÖ waren es, die aus Träumen Wirklichkeit gemacht haben – etwa den Gemeindebau oder das Gesundheitssystem, das jetzt leider zusammengeschossen worden ist." - 10
Wie gehen sich die immensen Mehrkosten im Staatshaushalt aus?
Die SPÖ selbst taxiert Bablers 24-Punkte-Plan mit 12,17 Milliarden Euro Kosten. Dafür hat sie ein Gegenfinanzierungsmodell vorgelegt. Durch Einsparungen bei Regierungsbüros, Eigen-PR und Förderungen sollen jährlich 3,5 Milliarden Euro hereinkommen. Mit der Einführung neuer Steuern, darunter Vermögenssteuer, Umwidmungssteuer und Rücknahme der Köst-Senkung, würden 7,75 Milliarden Euro dazukommen. Die SPÖ kalkuliert außerdem damit, dass durch die Senkung der Steuern auf Arbeit weitere 2,5 Milliarden Euro eingenommen werden, weil die Bürger dann mehr für Waren und Dienstleistungen ausgeben können. Die gesamten Einsparungen belaufen sich damit auf 13,75 Milliarden Euro. Dadurch würde sich gar ein jährlicher Puffer von 1,58 Milliarden Euro ergeben - behauptet Babler.
Ökonom zeigt auf
Auch, wenn sich die Rechnung auf dem roten Papier ausgeht und sogar noch etwas übrig bleibt, fragte "Heute" bei der wirtschaftsliberalen Agenda Austria nach, ob der Plan auch wirklich durchführbar wäre. Die Einschätzung des Ökonomen Hanno Lorenz ist dabei gespalten. "Einige Punkte wie Ausbau der Kinderbetreuung oder die Senkung der Abgaben auf Arbeit sind sehr lobenswerte Ansätze, andere Punkte wie Senkung der Mehrwertsteuer teuer und nicht treffsicher."
Weiters würden auch einige Ziele im Widerspruch stehen, welche dadurch das Gesamtpaket "unstimmig" machen. "MwSt-Senkungen heizen die Nachfrage an und erhöhen damit die Nettopreise, welche spätestens nach Auslaufen dann auch die Bruttopreise erhöht. Vermögenssteuern wiederum dämpfen die Konjunktur und machen etwaige Konjunktureffekte zunichte", betonte der Ökonom.
"Ob Arbeitsplätze bei Mangel an Personal und die sogenannten gerechten Steuern die erhofften Finanzvolumen erreichen, ist im Gesamtpaket mehr als fraglich", erläuterte Hanno Lorenz abschließend.