Jobs für bissigste Kommentare

New Yorker Anwalt rekrutiert sein Personal auf Twitter

Akiva Cohen stellte Leute ein, die die bissigsten Kommentare posteten. Jetzt führt er einen 500-Millionen-Dollar-Prozess gegen Twitter-Boss Elon Musk.

Nick Wolfinger
New Yorker Anwalt rekrutiert sein Personal auf Twitter
Akiva Cohen führt ein auf Twitter rekrutiertes Team aus Anwälten und Anwaltsgehilfen (Symbolbild)
Getty Images

Jetzt führt der 45-jährige Cohen, Teil der Kanzlei Kamerman, Uncy, Soniker & Klein, von seinem Wohnzimmer auf Long Island ein kleines Team von Twitter-Experten gegen einen fast schon lächerlich überdimensionierten Gegner in einem 500-Millionen-Dollar-Prozess gegen Elon Musk. Sein Twitter-Profil hat er mittlerweile konsequenterweise aufgegeben und ist zu den Konkurrenten Bluesky und Mastodon gewechselt, wie er kürzlich der New York Times erzählte.

Alles begann 2019 mit einem Verleumdungsprozess in Texas. Ein Synchronsprecher für japanische Animes, Vic Mignogna, wurde auf Twitter des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Er bestritt die Vorwürfe und reichte eine Verleumdungsklage gegen drei Personen ein, die diese Vorwürfe teilten.

Twitter-Community zerlegt peinlichen Anwaltsbrief

Das auf Twitter gepostet Schreiben seines Anwalts an die Beschuldigten erging sich jedoch in seitenlangen, komplett haarsträubenden Ausführungen und wurden von der Online-Community genüsslich auseinandergenommen.

Schließlich retweetete auch ein anderer Anwalt mit über 100.000 Followern den Thread mit dem Kommentar: "Wer ist Vic? Und warum lässt er sich in einer anmaßenden Verleumdungsklage von einem Idioten vertreten?" – und am Ende erreichte der Thread über 5.000 Kommentare.

"Es war eine Art Schnittpunkt verschiedener Kulturen: Da ist die Anime-Kultur, dann ist da diese Online-Troll-Kultur und dann ist da noch die juristische Twitter-Kultur. Und diese Überschneidungen führten zu spektakulären Ergebnissen", versucht der auf Twitter zahlreiche Follower zählende kalifornische Anwalt Ken White die Dynamik dieser Auseinandersetzung einzuordnen.

Cohen formt Twitter-User zu Diskussions-"Schlachtschiff"

Cohen nannte die Gruppe, die sich rund um seine Tweets von juristischen Fällen bildete, bald "Threadnought", ein Wortspiel aus den Worten "Dreadnought" („Schlachtschiff“) und "Thread" (so werden die chronologisch aneinandergereihten Diskussionsstränge auf Twitter genannt).

Seinen ersten Mitarbeiter von Twitter rekrutierte Cohen im Jänner 2021, Dylan Schmeyer. Er hatte keine juristische Qualifikation – aber er schrieb großartige Kommentare. "Als ich sah, wie er die Fälle analysierte und über das Gesetz sprach, wusste ich, dass er den richtigen Verstand dafür hatte", sagte Cohen. Im Jänner 2021 wurde Schmeyer der erste Angestellte von Cohen. Kurz danach stellte er Kathryn Tewson an.

Sie war eine der schärfsten Stimmen von Threadnought und war laut Selbstbeschreibung damals "arbeitslose Hausfrau". Sie hatte zwar keine juristische Ausbildung, aber ein Talent für Argumente. "Ich habe gesehen, wie eine Menge Leute die Frauen, die das Ziel dieser Klage waren, belästigt und schikaniert haben. Und das gefiel mir einfach nicht", nannte sie die Gründe für ihre Beteiligung an dem Thread.

"Sie hat juristische Konzepte erstaunlich schnell erfasst und verstanden und konnte hervorragend die richtigen Fragen stellen", war Cohen begeistert, und bot ihr an, eine Anwaltsgehilfinnen-Ausbildung zu finanzieren und danach bei sich anzustellen – was er auch tat.

Lüge vom "gestohlenen Wahlsieg" Trumps wird entlarvt

Die Klage des Synchronsprechers wurde schließlich in allen Instanzen abgewiesen – und die Anwälte von "Threadnought" suchten nach neuen Fällen. Rund um die Anfechtung der Präsidentschaftswahlen 2020 in den USA durch Donald Trump und seine Anhänger zerlegte das "Threadnought"-Team unter dem Hashtag #LitigationDisasterTourists in leicht verständlicher Sprache juristisch die Argumente der Trump-Fans, deren Klage alle scheiterten, und erreichten damit ein großes Publikum.

Musterprozess gegen Verkäufer von Cheatcodes gewonnen

Das beeindruckte Don McGowan, den Chefjuristen des Videospielunternehmens Bungie, das ein Problem mit Hackern hatte. Diese machten Geld mit dem Verkauf von Cheat-Software und er konnte das bisher nicht verhindern. Er suchte ein Anwaltsbüro, das einer aus durchschnittlichen Bürgern zusammengestellten Jury verständlich erklären könnte, was daran kriminell sei.

Genau das traute er Cohen und seinem "Twitter-Team" zu – und bereute es nicht. Cohen erstritt ein Urteil über 4,3 Millionen Dollar Schadenersatz wegen Urheberrechtsverletzung, Geldwäsche und Betrug. Das Urteil sorgte für enormes mediales Echo in der PC-Spielebranche und sorgte für weitere Aufträge.

Bald wuchs Cohens Team auf sechs Anwälte und drei Hilfskräfte – die alle im Home Office arbeiteten. Bis auf einen hatte er alle über Twitter kennengelernt.

"Das war eine lächerliche Art, ein Prozessteam aufzubauen", kommentierte David Lat von der Juristen-Webseite "Above the Law" das Vorgehen Cohens. "Er stellt die Leute nicht nach dem Prestige der Universität ein, an der sie absolvierten, sondern danach, wie sie in Echtzeit unter Druck denken und schreiben. Ich finde das mutig, aber es scheint für ihn zu funktionieren."

Ihr größter Prozess ist Twitter selbst

Ihr größter Fall führte schließlich direkt ins Herz von Twitter: Nach der Übernahme des Unternehmens durch Elon Musk im Jahr 2022 fühlten sich viele Mitarbeiter um ihre Abfertigungszahlungen betrogen – und wandten sich an Cohen. Ein über mehrere US-Bundesstaaten verteilter Mammutprozess gegen das Milliardenunternehmen und seinem riesigen Anwaltsteam entspann sich. Cohens Kanzlei vertritt dabei rund 200 ehemalige Twitter-Angestellte. Der Streitwert der Klage beträgt 500 Millionen US-Dollar.

Der Prozess ist nach wie vor nicht abgeschlossen, aber für Cohen schließt sich ein Kreis: "Twitter hat es uns ermöglicht, zusammenzukommen", sagte er. "Und jetzt verklagen wir es."

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    <strong>21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist.</strong> Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, <a data-li-document-ref="120079782" href="https://www.heute.at/s/magdeburg-terrorist-war-bekannter-anti-islam-aktivist-120079782">die aus Saudi-Arabien flüchteten.</a>
    21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
    REUTERS
    NW
    Akt.