Kanada
Mysteriöses Schiffswrack: Keiner weiß, woher es kommt
Als Gordon B. aus Cape Ray am Strand die Überreste eines Schiffs im Wasser treiben sieht, scheint er es zu ahnen: Dies ist kein gewöhnlicher Fund.
Alte, versunkene Schiffe faszinieren die Menschen immer wieder aufs Neue, und so ist es auch in diesem Fall: Am Morgen des 20. Jänners entdeckte Gordon Blackmore (21) aus Cape Ray im kanadischen Neufundland einen langen Schatten im Wasser, der sich bei näherer Betrachtung als das Wrack eines Holzschiffs herausstellen sollte. Sofort lief er zu seiner Mutter Wanda, die daraufhin ebenfalls zum Strand eilte.
"Es ist unglaublich, dafür gibt es kein anderes Wort. Ich bin einfach so gespannt, ob sie den Namen des Schiffs und sein Alter herausfinden können – und ob darauf irgendwelche verlorenen Seelen waren", sagte Wanda Blackmore in einem Interview, das "CTV News" zitiert. Das Schiffswrack müsste zudem erst kürzlich angespült worden sein, so Blackmore. Denn Sohn Gordon geht regelmäßig an den Strand, um Seevögel zu jagen, ein paar Tage zuvor war aber noch nichts davon zu sehen.
Spülte Hurrikan Fiona das Schiff an die Wasseroberfläche?
Neil Burgess, Präsident der Gesellschaft für die Erhaltung von Schiffswracks, glaubt, dass das Auftauchen des Wracks kein Zufall war, sondern vielmehr eine Nachwirkung des Hurrikans Fiona, der Ende September 2022 in Neufundland wütete. Der Sturm hatte damals über 100 Häuser zerstört und den Sand entlang des Cape Ray Beach aufgewirbelt. Vielleicht habe sich das Schiff dadurch vom sandigen Grund gelöst und sei dann angespült worden.
Burgess geht davon aus, dass das Schiff aus dem 19. Jahrhundert stammt. Er hat es zwar bisher noch nicht selbst begutachtet, ist aber durch Blackmores Beschreibungen zu der ersten Einschätzung gelangt: Beispielsweise habe es Holzdübel, genannt Trunnels, die zu dieser Zeit als eine Art Nägel bei Holzschiffen verwendet wurden. Außerdem befänden sich im Wrack zwei Zentimeter breite Kupferpflöcke zur Stabilisierung des Rumpfes. Der noch angespülte Rumpf selbst sei etwa 24 Meter lang, in seinem Urzustand müsse er aber noch länger gewesen sein, so Burgess weiter. Die Untersuchung des Holzes soll dann weitere Schlüsse zulassen: "Wenn der Rumpf aus Eiche ist, stammt das Schiff nicht aus Nordamerika."
Tausende Wracks liegen am Meeresboden
Das Schiffswrack von Cape Ray sei aber kein Einzelfall, Burgess geht davon aus, dass der Meeresboden vor Neufundland mit Tausenden Schiffswracks übersät sei. Trotzdem sei Gordons Fund deswegen nicht weniger sensationell. Wanda Blackmore ist unterdessen einem wahren Schiffswrack-Fieber erlegen: Sie kontaktiert laufend Stellen, die sich für den Fund ihres Sohnes interessieren könnten, darunter beispielsweise das Maritime History Archive der Memorial University und sogar den Premierminister. Möglicherweise schickt dieser Experten nach Cape Ray, um den Fund untersuchen zu lassen.
Vor etwa 150 Jahren wurde in der kleinen kanadischen Küstenstadt der erste Leuchtturm gebaut, um Schiffen aus aller Welt den Weg durch die Cabot-Straße am Zusammenfluss des Sankt-Lorenz-Golfs und des offenen Atlantischen Ozeans zu weisen.