"Bei mir war alles anders"

Muster: "Thiem hört ein bisschen früh auf"

Tennis-Ikone Thomas Muster hält den Rücktritt von Dominic Thiem für etwas früh. "Bei mir war alles anders. Ich hatte Schmerzen und konnte nicht mehr."

Martin Huber
Muster: "Thiem hört ein bisschen früh auf"
Muster als Kurzzeit-Trainer von Thiem: "Im Prozess ging nichts weiter."
GEPA

Nur 10 Zentimeter ist der Pokal groß, den Thomas Muster für seinen Paris-Sieg 1995 nach Hause geschickt bekam. "Zierlich" grinst die Ex-Nummer-1 der Welt als er die Ausstellung "Champions of Vienna" in der Stadthalle eröffnet und seinen sportlich größten Titel präsentiert. "Beim Pokal waren sie eher sparsam."

Gerulaitis als Sieger, Du-Rieux als Ballbub

In der Halle F können Fans ab sofort 50 Jahre Tennisgeschichte hautnah erleben. Das Traditionsturnier am Vogelweidplatz feiert heuer ein halbes Jahrhundert.

Bei der Premiere 1974 gewann Vitas Gerulaitis. Kein Schmäh: Ex-ORF-Reporter Andreas Du-Rieux war damals Ballbub. "Ich habe gepatzt", erzählt er "Heute". "Der Turnierdirektor sagte zu mir: ,Nächstes Jahr bist du nicht mehr dabei.' Was er nicht wusste, das Turnier fand 1975 dann gar nicht statt."

Eine Ausnahme. Seitdem schlug die komplette Tennis-Elite Jahr für Jahr in Wien auf. "Nur drei Superstars waren nicht hier", klärt Muster auf. "Nadal, Borg." Beim Dritten muss er nachdenken, dann flüstert ihm jemand ein: "Richtig! Courier."

Dominic Thiem - sein Leben

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    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
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    Alex, aus meinem Schuh kommt Blut, ich spiele nur noch für dich
    Horst Skoff zu Alex Antonitsch im Davis Cup

    Die Ausstellung entführt in eine Reise durch die Tennis-Geschichte. Es gibt den Uralt-Schläger von Arthur Ashe zu sehen, die Bespannung von Muster im Paris-Finale 1995 gegen Michael Chang und auch legendäre Sprüche von Horst Skoff.

    "Alex, aus meinem Schuh kommt Blut, ich spiele nur noch für dich", sagte er im Davis Cup zu Doppel-Partner Alexander Antonitsch. "Dich krieg ich gleich da draußen", richtete er Marc Kevin Göllner beim Aufwärmen vor dem legendären Länderkampf gegen Deutschland in Unterpremstätten aus.

    "Der eine speibt sich an, der andere knöchelt um"

    1988 gewann Skoff das Skandal-Finale gegen Muster in der Stadthalle. "Ich habe die ganze Nacht gekotzt und war krank. Eigentlich hätte ich im Bett bleiben müssen", erinnert sich Muster an die bitterste von drei Finalpleiten in Wien. "Aber so kam Horsti auch zu seinem Ruhm. Und gibt es heute noch einige in der Halle, die Hoorsti schreien."

    Skoff verlor Satz eins, knöchelte im Endspiel dann bewusst um. "Damit er auch Mitleid von den Fans bekam. Es war dann Not gegen Elend", sagt Muster. "Am nächsten Tag musste ich zu Nora Frey, um mich bei Ö3 zu rechtfertigen. Thema der Sendung: Der eine speibt sich an, der andere knöchelt um."

    Galanacht des Sports 2024

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      Alle Gewinner und Gewinnerinnen der Sporthilfe-Gala in der Wiener Stadthalle.
      Alle Gewinner und Gewinnerinnen der Sporthilfe-Gala in der Wiener Stadthalle.
      Gepa
      Ich wünsche Dominic, dass er in zehn Jahren zu dieser Entscheidung steht
      Muster über Thiem-Rücktritt

      Ausgestellt sind auch jene Adidas-Schuhe, in denen Dominic Thiem zuerst ausrutschte ("Was sind das für Schuhe?") und dann 2020 vor leeren Rängen die US Open gewann. Thiem spielt in zwei Wochen bei den "Erste Bank Open" sein letztes Turnier.

      "Für mich hört er ein bisschen zu früh auf", sagt Muster. "Und er traf diese Entscheidung bereits vor der Saison, dann bist du weg." Tipps will ihm Muster keine geben. "Bei mir war alles anders. Ich hatte Schmerzen und konnte nicht mehr. Ich bin kein Arzt und kenne sein Handgelenk nicht. Aber bei ihm ging im Prozess nichts weiter."

      Mit 43 Jahren versuchte Muster dann noch einmal ein Comeback. Legendär sind seine Trainings bis nach Mitternacht in der Stadthalle, als er bis zum Umfallen auf die Bälle eindrosch und dann bei seinem Physio eine Käsekrainer orderte.

      "Was hätte ich sonst um diese Zeit tun sollen?", sagt er zu "Heute". "Ich habe immer so intensiv trainiert. Intensität ist alles. Damals war es aber noch schwieriger Trainingsplätze zu kriegen, deshalb die späte Uhrzeit. Heute verdienen die Spieler mehr und jammern auch mehr."

      "Vielleicht fällt Dominic auch noch ein Comeback ein", grinst Muster. "Seine Entscheidung zum Rücktritt ist zu akzeptieren. Er hat den Fans große Matches geliefert und kann machen, was er will. Ich wünsche ihm, dass er in zehn Jahren zu dieser Entscheidung steht."

      Ski statt Tennis

      Muster lebt derzeit in Graz. "Noch. Ich verkaufe gerade mein Haus und ziehe an den Wörthersee." Hintergrund ist, dass seine Tochter Maxim die Sport-HAK in Schladming besucht und eine ambitionierte Skiläuferin ist.

      "Tennis war nur bis zu ihrem sechsten Lebensjahr ein Thema bei uns", erzählt Muster. "Dann hat sie gesagt: ,Papa, davon hast du keine Ahnung.'"

      Sein Sohn ist derzeit beim Bundesheer in Straß, wo Musters Vater viele Jahre Vizeleutnant war. "So schließt sich der Kreis."

      Musters ausgestellten Paris-Pokal in der Stadthalle kann man übrigens ersteigern: Mehr als 100.000 Euro soll er für Familien in Not beim Licht-ins-Dunkel-Weihnachtswunder einbringen. "Ich bin ein ehrgeiziger Mensch", sagt Muster. "Ich hoffe auf die höchste Einzelspende."

      Dominic Thiem präsentiert seine Brillen-Kollektion

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        Dominic Thiem präsentiert seine Brillen-Kollektion.
        Dominic Thiem präsentiert seine Brillen-Kollektion.
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        Smarter Move statt Steuerflucht

        Wer in Zukunft Tennis-Pokale für Österreich holen soll, ist offen. Joel Schwärzler, die Nummer 1 der Junioren, trennte sich zuletzt von Jürgen Melzer und wird in Zukunft in Spanien trainieren.

        "Er soll sich dort die Hörner abstoßen", findet Muster den Schritt positiv. "Ich habe das auch gemacht in Monte Carlo. Die Leute haben gesagt, es ist Steuerflucht. Die Wahrheit ist, ich konnte mir dort die Wohnung kaum leisten. Sportlich war es ein smarter Move. Ich trainierte mit den Besten das ganze Jahr draußen und konnte lernen."

        Nachdem er mit 16 Jahren das Finale der Staatsmeisterschaften gegen Peter Feigl gewonnen hatte, war für Muster klar: "Nix wie weg!" Schwärzler würde er übrigens sofort helfen, wen er einen Rat braucht: "Ich beantworte ihm jede Frage."

        Für die Zukunft hat Muster einen Plan. "Wenn ich vom österreichischen Durchschnitt ausgehe, bleiben mir noch exakt 20 Sommer. Die will ich voll genießen."

        Auf den Punkt gebracht

        • Tennis-Ikone Thomas Muster hält den Rücktritt von Dominic Thiem für etwas früh und betont, dass seine eigene Karriere von Schmerzen und Unfähigkeit weiterzuspielen geprägt war
        • Die Ausstellung "Champions of Vienna" in der Stadthalle zeigt 50 Jahre Tennisgeschichte, darunter Musters Paris-Pokal von 1995, und bietet einen nostalgischen Rückblick auf legendäre Momente und Persönlichkeiten des Sports
        mh
        Akt.