Immer mehr Menschen in Wien wagen den Schritt und teilen ihre Sorgen und Ängste mit Gleichgesinnten im Rahmen von Selbsthilfegruppen. Die Themen reichen von A wie Adipositas oder Angst, über Beziehungsprobleme, Contergangeschädigte, Depression, Hör- und Sehbeeinträchtigung, Krebs, Trauer, psychische Belastungen bis hin zu Z wie Zöliakie.
Eine dieser betroffenen Personen ist die Wienerin Anna F. (Name von der Redaktion geändert), die Dank des großen Angebotes an Selbsthilfegruppen die passende für sich finden konnte. "Es geht mir besser, seit ich in der Gruppe bin, weil ich dort Leute treffe, die das Gleiche haben wie ich und die mich verstehen, ohne dass ich mich lange erklären muss." Sie habe gelernt, dass sie nicht immer stark sein und funktionieren muss. Sie könne dort im geschützten Rahmen ihre Gefühle zum Ausdruck bringen. "Ich bekomme auch Tipps, wie ich den Alltag mit meiner Krebserkrankung gestalten kann. Von Ärzten höre ich immer nur, was ich nehmen soll", so die Wienerin.
Derzeit sind in Wien rund 40.000 Menschen in Selbsthilfegruppen organisiert, erklärt eine Sprecherin der Selbsthilfe-Unterstützungsstelle SUS Wien im "Heute"-Gespräch. Bei der täglichen Arbeit sei zu beobachten, dass das Interesse, auch selbst eine Selbsthilfegruppe zu gründen, seit der Corona Pandemie stetig steigt. Vor allem junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren beschäftigen sich vermehrt mit belastenden Themen.
Unter den mehr als 260 Gruppen zu 147 Themen, darunter auch zahlreiche mehrsprachige Angebote, sind heuer auch Gruppen zu Themen wie ADHS, Autismus, Sucht, künstliche Beatmung, Pathologisches Kaufen, sexualisierte Gewalt oder psychischen Erkrankungen hinzugekommen.
Im Laufe des letzten halben Jahres haben sich diese neuen Selbsthilfegruppen etabliert: Einsame Frauen in Wien, Selbsthilfe Posttraumatische Belastungsstörung, Selbsthilfegruppe Glaukom, "Stärker als der Schmerz" Selbsthilfegruppe für Fibromyalgie-Betroffene.
„Meine Bekannten wissen oft nicht, wie sie mit mir und meiner Krankheit umgehen sollen.“Anna F.Krebspatientin und Gruppenteilnehmerin
"Selbsthilfegruppen sind eine wichtige Ergänzung zur in Wien sehr guten medizinisch therapeutischen Versorgung. Sie entlasten das Gesundheitssystem, können aber niemals eine nötige professionelle Behandlung ersetzen.", so die Sprecherin. In Selbsthilfegruppen werde viel Erfahrungswissen ausgetauscht und die betroffenen Personen würden so auch über ein stabiles soziales Netzwerk verfügen können. Die Gruppen wirken gegen Einsamkeit, was gerade seit der Pandemie ein größer werdendes gesellschaftliches Problem darstellt.
Auch Anna F. genießt den entspannten Umgang und die sozialen Kontakte. "In der Gruppe finden wir gemeinsam auch einmal einen humorvollen Umgang mit unserer Situation. Meine Bekannten sind betroffen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich krank bin und wissen oft nicht, wie sie mit mir umgehen sollen". Man sitze aber nicht nur in der Gruppe und spreche über Probleme. Oft ergebe sich auch die Möglichkeit für gemeinsame Spaziergänge oder Museums- und Kinobesuche. "Es geht mir besser, seit ich in der Selbsthilfegruppe bin, weil ich an den anderen Gruppenteilnehmer sehen kann, dass man auch mit meiner Erkrankung ein ganz normales und glückliches Leben leben kann", erzählt die Wienerin.
Das Wiener Selbsthilfegruppen Verzeichnis 2024 gibt auf 88 Seiten einen kompakten Überblick über die Kontaktdaten der 260 Wiener Selbsthilfegruppen. Damit ist es eine wichtige Informationsquelle, um rasch und unkompliziert Kontakt zu einer passenden Selbsthilfegruppe zu finden. Es kann ab sofort kostenlos beim Broschüren-Bestellservice der Wiener Gesundheitsförderung – WiG telefonisch unter +43 1 4000 76924 oder per E-Mail broschueren@wig.or.at angefordert werden. Zusätzlich liegt die diesjährige Ausgabe in zahlreichen Beratungsstellen, Bezirksämtern sowie Krankenhäusern aber auch in Apotheken und bei Allgemeinmedizinern in ganz Wien auf.