Muss ich meinen Rüden kastrieren lassen?
Roman ist sich nicht sicher, ob er seinen Rüden kastrieren lassen soll. Dr. Lautner erklärt, wann eine Kastration in Erwägung zu ziehen ist und wann nicht.
Frage von Roman
Ich weiß nicht, ob und wann ich meinen Rüden kastrieren lassen soll. Man hört so viel. Besser vor der Pubertät oder danach? Erst ab drei Jahren oder so früh wie möglich? Oder etwa gar nicht? Hilfe, ich hatte noch nie einen Hund.
Die Antwort
Dr. Susanne Lautner
Tierärztin, tierschutzqualifizierte Hundetrainerin
Web: www.tierarztpraxis-lautner.at
Foto: Tierarztpraxis Dr. Susanne Lautner
Ob man seinen Rüden kastrieren soll/muss, ist immer eine individuelle Entscheidung von Hund/Halter und wird in meiner Praxis immer in einem Beratungsgespräch ermittelt.
Was passiert bei einer Kastration?
Unter Kastration versteht man die operative Entfernung der Hoden beim Rüden. Dadurch produziert der Rüde kein Testosteron (männliches Geschlechtshormon) mehr.
Das bedeutet, dass die Kastration ausschließlich durch Testosteron gesteuertes Verhalten beeinflusst. (Im Unterschied zu Sterilisation, der Unterbindung des Samenleiters; Geschlechtstrieb bleibt unverändert).
Wann ist eine Kastration in Erwägung zu ziehen:
Tumorerkrankungen: z. B. Hodenkrebs , Perianaldrüsentumore
Prostatatumor, -vergrößerung, -entzündung
Vorhautentzündung, Perianalhernie
- Rüden, die sehr oft und lange unter der Nähe (Umgebung, Hundewiese) läufiger Hündinnen leiden, dadurch weglaufen, jaulen, nichts fressen;
- Rüden die ständig markieren, auf Polstern etc. aufreiten (Hypersexualität)
- Manchmal bei Aggression gegenüber anderen Rüden (gleichzeitig mit einer sinnvollen und positiven Sozialisierung/Verhaltenstherapie/Abstandstraining)
Wann eine Kastration nicht hilft, aber richtiges Training
Kastration beeinflusst NICHT folgende Verhalten, die aber durch eine freundliche, positiv verstärkte Verhaltenstherapie und Aufklärung der Besitzer beeinflussbar sind:
- Aggression gegen Menschen
- Ressourcenverteidigung (Futter, Spielzeug)
- Jagdverhalten (wird laut einer Studie der Uni Gießen sogar mehr nach der Kastration)
- Jungtierverteidigung: Die Verteidigung von Familie und Nachkommen ist bei Säugetieren überdas Hormon Prolaktin, das Elternhormon, gesteuert. Es wird vermehrt in der Zeit familiärer Veränderungen (z.B. Nachwuchs bei Hund, oder auch Mensch) gebildet und führt zur Verteidigung von Nachwuchs, sowie Schwangeren. Prolaktin wird in Rüden durch Testosteron zum Teil gehemmt, von einer Kastration ist also abzuraten.
- Partnerschutz- und Wettbewerbsaggression: dabei wird der Halter, bei Rüden oft besonders die Halterin, verteidigt. Das „Eifersuchtshormon", Vasopressin und das „Bindungshormon" Oxytozin spielen besonders in der Frühphase sich neu bildender Beziehungen eine Rolle. Beide Hormone werden durch eine Kastration nicht beeinflusst.
Nachteile einer Kastration
„Durch die Kastration können auch Verhaltensweisen auftreten, die unerwünscht bzw für den Rüden unangenehm sind: “
Zum Beispiel können manche Rüden nach der Kastration extrem ängstlich und aggressiv gegen andere Hunde werden oder werden von Rüden wie Hündinnen behandelt .
Daher empfehle ich in fast allen Fällen zuerst einen verhaltenstherapeuthischen Ansatz und vor der Kastration immer einen sogenannten Kastrationschip (chemische Kastration), um eventuelle Nachteile beurteilen zu können.
Die Frage wurde beantwortet von:
Dr. Susanne Lautner; Tierärztin, Hundetrainerin
Frau Dr. Susanne Lautner führt eine allgemeinmedizinische und verhaltenstherapeutische Kleintierpraxis und Hundeschule in Wien Hietzing. Sie ist tierschutzqualifizierte Hundetrainerin, Mitglied bei der VÖHT und im Vorstand der internationalen Hundetrainervereinigung der Pet Dog Trainers of Europe.
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(mp)