Schnell gemacht und ohne großen Wert – das trifft laut einer neuen Studie nicht auf Selfies zu. Denn die meist mit dem Smartphone geschossenen Selbstporträts dienen nicht nur der schnöden Selbstdarstellung, sondern auch der Kommunikation. Dazu brauche es noch nicht einmal Hashtags. Zu diesem Schluss kommen zwei Forschende aus Bamberg.
Tobias Schneider, Doktorand an der Bamberger Graduiertenschule für Affektive und Kognitive Wissenschaften, und Claus-Christian Carbon von der Universität Bamberg konnten nachweisen, dass Menschen Selfies auch nutzen, um Informationen über sich selbst mitzuteilen. Die digitalen Selbstporträts enthielten jeweils Botschaften.
"Die semantischen Profile stehen jeweils für eine ganz eigene Art der Botschaft, die mit den Selfies verbunden ist", so Schneider. "Die Cluster sind wie Archetypen der Kommunikation im digitalen Zeitalter zu verstehen." Als Archetypen werden eine Art Urbilder bezeichnet, die schon seit vielen Generationen mit ähnlichen Emotionen und Denkweisen verbunden sind.
Schneider und Carbon haben für ihre Studie die Reaktionen von 132 Frauen und Männern auf insgesamt 1.001 Selfies ausgewertet. Die Fotos hatten sie der Datenbank Selfiecity entnommen, die alle ohne Begleittext daherkamen und mit den eigenen Händen oder einem Selfie-Stick aufgenommen waren. Die Selfies wurden in einer Standardgröße auf einem einfarbigen grauen Hintergrund präsentiert.
„Das zeigt, dass wir nicht zwingend Worte brauchen, um ganz spezifische Nachrichten über uns selbst an die Aussenwelt zu senden.“Tobias Schneider Doktorand an der Bamberger Graduiertenschule für Affektive und Kognitive Wissenschaften
Die Teilnehmenden mussten jeweils 15 zufällig ausgewählte Selfies anschauen und ihre spontanen Reaktionen zu jedem Bild in fünf Begriffen festzuhalten. Diese fassten die beiden Forscher dann in zunächst 26 Kategorien zusammen. Anschliessend analysierten sie, wie häufig diese Kategorien in den Antworten auftauchten und ob sie zusammen auftraten. Daraus bildeten sie die fünf Kategorien.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Befragten die visuelle Sprache aufgreifen, die die Selfie-Ersteller verwendeten, um verschiedene Aspekte von sich selbst zu kommunizieren – sei es ihre schlechte Laune, ihr tolles Outfit oder wohin der nächste Flug geht. "Das zeigt, dass wir nicht zwingend Worte brauchen, um ganz spezifische Nachrichten über uns selbst an die Außenwelt zu senden", erklärt Schneider in einer Mitteilung.
"Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir so klar abgrenzbare Cluster und Kategorien von Selfies finden", sagte Schneider zum ORF. Dies spreche dafür, dass die Selfie-Macherinnen und -Macher ihre Gefühle, Stimmungen und andere Botschaften gut kommuniziert haben. Zumindest nehmen das die Forscher an: Denn überprüft haben sie das nicht. "Wir gehen davon aus, dass es eine große Übereinstimmung zwischen gesendeter und empfangener Botschaft gibt." Diesen Aspekt wollen sie in einer weiteren Studie untersuchen.
Das Duo weist darauf hin, dass die Kategorien möglicherweise nicht weltweit auf die gleiche Weise ausgedrückt oder verstanden werden: "Wir brauchen in Zukunft grössere, vielfältigere und kulturübergreifende Stichproben, um ein Bild davon zu bekommen, wie verschiedene Gruppen und Kulturen Selfies als kompakte Kommunikationsform nutzen."
Die Studie ist im Fachjoural "Frontiers in Communication" erschienen.