Sicherheits-Skandal
"Mit allem rechnen": Spionage-Alarm um Nationalratswahl
Ein Spionage-Skandal unfassbaren Ausmaßes hat Österreich erfasst. Nun analysiert ein Geheimdiensthistoriker, was das für unsere Sicherheit bedeutet.
Österreich wird von der vielleicht größten Spionage-Affäre, die dieses Land je gesehen hat, durchgebeutelt. Nachdem der ehemalige Verfassungsschützer Egisto Ott wegen Verdachts auf Spionage für Russland und zum Schaden der Republik verhaftet wurde, wurde ein weiterer Beamter des Verfassungsschutzes suspendiert. Ein Disziplinarverfahren gegen den Mann laufe – der Verdacht: Er soll Ott brisante Informationen gesteckt haben, die er illegal im System des Verfassungsschutzes abgefragt habe.
Liste an Verdächtigen wächst immer weiter
Mittlerweile ist die Liste an Verdächtigen – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung – immens angewachsen. Demnach kommt zu den bereits bekannten Namen –Egisto Ott, Martin Weiss und Jan Marsalek – ein weiterer hinzu, nämlich der Ex-ORFG-Mann Florian Stermann. Er war der Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG) und soll zwischen 2017 und 2019 als Kommunikationsdrehscheibe zwischen Marsalek und Ex-FPÖ-Klubmann Gudenus gewesen sein.
Laut "Kurier" wird Stermann 2016 und 2020 eine "zentrale Rolle" im Spionagenetz von Ott-Weiss-Marsalek zugeordnet. Sogar das Bundeskriminalamt soll gegen ihn ermittelt haben. Dabei wurde ihm konkret vorgeworfen, den russischen Geheimdienst (FSB) unterstützt zu haben, "indem er Einfluss auf hochrangige österreichische Politiker nahm". Hochrangige Beamte und Politiker, die Österreich eigentlich schützen sollten, aber im Verdacht stehen, für Putin spioniert zu haben – das bringt auch einen Experten völlig aus der Fassung.
"Es könne einiges auf uns zukommen"
Geheimdiensthistoriker Thomas Riegler analysierte die Situation am späten Sonntagabend in der ORF-"ZIB2" bei Moderator Martin Thür. "Es ist auf jeden Fall so, dass die Situation auch durch den Ukraine-Krieg eine gewisse Herausforderung darstellt", so Riegler. Der russische Geheimdienst würden eine sehr aktive Rolle einnehmen, so der Experte. Es komme eine Mischung aus "Desinformation, Sabotage, Spionage" und Versuchen, die Stabilität des Westens zu schwächen, zum Einsatz, so Riegler. Die Lage sei "volatil geworden".
Da "könne einiges auf uns zukommen", so der Experte dazu, ob wir vermehrt mit russischen Anschlägen in Europa rechnen müssen, nachdem in Deutschland Verdächtige mit mutmaßlichen Anschlagsplänen festgenommen wurden. "Es gibt hier ein gewisses Potenzial von Menschen, die ideologisch anfällig sind", so Riegler, Menschen aus der russischen Diaspora könnten hierzulande für Russland aktiv werden. Bei Egisto Ott sei das anders, so der Experte, er sei ein Insider aus dem Verfassungsschutz gewesen.
"Verteidigung gegen die dunklen Künste"
"Sehr ambitioniert" sei die Ankündigung Österreichs, Spionage zu verbieten, das Land sei aber eine "Spionagedrehscheibe" und personell vermutlich derzeit nicht gut genug aufgestellt, um das zu unterbinden. Die Mehrzahl der Spione, die sich in Österreich aufhalte, führe keinen Diplomatenpass mit sich, so Riegler. Der Experte schätzte, dass sich zwischen 1.000 und 7.000 Spione in Österreich aufhalten würden. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) als Verfassungsschutz-Nachfolger sah Riegler auf einem guten Weg.
Die DSN sei "Altlasten losgeworden" und nun werde wahrscheinlich nicht erneut die Vertrauensfrage europäischer Behörden gestellt, so Riegler. Die Finger im Spiel könnte Russland jedoch auch bei der Verfassungsschutz-Affäre gehabt haben, so Riegler, jedenfalls hätte das Land ein reges Interesse an einer solchen Destabilisierung gehabt. Und Alarm herrsche rund um die Nationalratswahlen im Herbst: Man müsse "mittlerweile mit allem rechnen", das sei eine "der wichtigen Lehren" aus der russischen Spionage, so Riegler. Österreich brauche eine "Verteidigung gegen die dunklen Künste", man müsse "die Wehrfähigkeit des Landes stärken".
Auf den Punkt gebracht
- Ein Spionage-Skandal unbekannten Ausmaßes erschüttert Österreich, nachdem ein ehemaliger Verfassungsschützer wegen Spionageverdachts für Russland verhaftet wurde und ein weiterer Beamter suspendiert wurde
- Die Liste der Verdächtigen wächst stetig, darunter hochrangige Politiker und Beamte, die im Verdacht stehen, für Russland spioniert zu haben
- Ein Geheimdiensthistoriker warnt, dass Österreich sich auf alles vorbereiten müsse und eine Verteidigung gegen Spionage stärken müsse, da die Lage "volatil" geworden sei