Wien

"Mit 59 keine Chance" – Wienerin sucht verzweifelt Job

Zum Tag der Arbeitslosigkeit fordert das Netzwerk "arbeit plus" einen Aktionsplan gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Für Maria wurde das Alter zur Hürde.

Yvonne Mresch
Maria (59) arbeitete als Verkäuferin, doch die Pandemie setzte dem ein Ende. Nun ist sie auf der Suche, doch ihr Alter macht ihr einen Strich durch die Rechnung. 
Maria (59) arbeitete als Verkäuferin, doch die Pandemie setzte dem ein Ende. Nun ist sie auf der Suche, doch ihr Alter macht ihr einen Strich durch die Rechnung. 
Max Spitzauer

Die gebürtige Bulgarin, die seit zehn Jahren in Wien lebt, war Verkäuferin aus Leidenschaft. Pandemiebedingt musste der Souvenir-Shop, in dem sie arbeitete, schließen: "Als er wieder öffnete, reduzierte man das Personal", erzählt die 59-jährige. Die gebürtige Bulgarin verlor ihren Job, war zwei Jahre lang arbeitslos.

"Niemand will mich einstellen"

Kurzfristig konnte sie in einem Volkshilfe-Shop aushelfen, doch auch das nur befristet. Seitdem ist die 59-jährige auf der Suche: "Niemand will eine Person einstellen, die in einem Jahr in Pension gehen könnte. Obwohl ich weiterarbeiten will. Ich habe keine Betreuungspflichten und bin fit", sagt sie.

Vor dem Tag der Arbeitslosen am 30. April fordert das Netzwerk "arbeit plus" in einer Pressekonferenz mit der Volkshilfe Wien und der Diakonie einen Aktionsplan gegen Langzeitarbeitslosigkeit. 259.440 Menschen sind derzeit beim AMS als arbeitslos gemeldet – so wenig waren es zuletzt 2012. Doch: Knapp jeder Dritte (80.000 Personen) ist langzeitarbeitslos. Dieser Anteil hat sich seit 2012 fast verdoppelt (45.000 Personen). Zwei von drei Langzeitarbeitslosen sind armutsgefährdet, heißt es.

"Es braucht ein Arbeitslosengeld, das vor Absturz bewahrt"

"Wir wissen, wer länger arbeitslos ist, hat eine höhere Gefahr in die Armut zu rutschen", so Martin Schenk, stellvertretender Direktor der Diakonie. "Das betrifft besonders Leute die an Krankheiten leiden oder Alleinerzieher. Befinden sich Menschen in existenzbedrohenden Situationen, ist weder an eine ernsthafte Arbeitssuche noch an eine nachhaltige Arbeitsaufnahme zu denken." Er fordert eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe – die Situation sei in Krisenzeiten noch dramatischer geworden. "Alle Sozialleistungen wurden erhöht, aber darauf wurde vergessen. Es sollte Richtung 70 Prozent gehen", so Schenk. "Es braucht ein Arbeitslosengeld, das vor Absturz bewahrt und Chancen erhöht."

Aktionsplan gefordert

Das Netzwerk "arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreichs", bestehend aus 200 Firmen, unterstützt Langzeitarbeitslose, Wiedereinsteiger oder Alleinerzieher dabei, wieder im Arbeitsmarkt anzukommen. Das brauche es vor allem jetzt, da es eine Transformation am Arbeitsmarkt gibt, betont Vorsitzende Manuela Vollmann. "Wir haben einerseits einen Arbeitskräftemangel, andererseits immer noch viele Menschen in Erwerbsarbeitslosigkeit." 

Manuela Vollmann (Vorsitzende "arbeit plus"), Martin Schenk (Stv. Direktor Diakonie Österreich), Sabine Rehbichler (Geschäftsführerin "arbeit plus") und Volkshilfe Wien-Geschäftsführerin Tanja Wehsely (v. li.).
Manuela Vollmann (Vorsitzende "arbeit plus"), Martin Schenk (Stv. Direktor Diakonie Österreich), Sabine Rehbichler (Geschäftsführerin "arbeit plus") und Volkshilfe Wien-Geschäftsführerin Tanja Wehsely (v. li.).
Max Spitzauer

"arbeit plus" fordert neben einem Aktionsplan zur Reduktion von Langzeitarbeitslosigkeit und einer Valorisierung des Arbeitslosengeldes auch die Förderung von flexiblen Arbeitszeitmodellen, die mit Betreuungspflichten vereinbar sind, Mobilitätsangebote, attraktive Arbeitsplätze, die mit den Bedürfnissen der Menschen "Hand in Hand" gehen, höhere Löhne sowie Unterstützung statt Druck durch stufenweise Eintrittsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt.

"Menschen möchten arbeiten!"

Das Programm "Schritt für Schritt" der Volkshilfe Wien setzt genau hier an. Menschen, die seit mindestens fünf Jahren arbeitslos sind, erhalten Beratung, Training und Vermittlungshilfe. "Gerade für Frauen gelten immer noch höhere Anforderungen im Arbeitsalltag und besonders beim Wiedereinsteig. Hier gilt es, ein gesellschaftliches Umdenken zu bewirken, denn jeder Mensch verdient eine zweite Chance – vor allem am Arbeitsmarkt", appelliert Volkshilfe-Chefin Tanja Wehsely.

Kritik, dass sich Menschen in der "sozialen Hängematte" ausruhen würden, kann sie nicht verstehen: "Arbeit ist unser Wesen, jeder möchte gebraucht werden. Hat man diese Struktur nicht, führt das mitunter in die Depression. Man fühlt sich nicht angenommen, hinzu kommen finanzielle Probleme. Es ist eine Spirale abwärts. "Menschen arbeiten nicht wenig, weil sie nicht wollen, sondern weil es Hindernisse gibt", fasst Sabine Rehbichler von "arbeit plus" zusammen.

Maria will nur eines: Endlich wieder arbeiten. "Ich habe so viele Bewerbungen geschrieben, aber entweder bekomme ich Absagen oder gar keine Rückmeldung. Ich bin zeitlich flexibel, kann Vollzeit arbeiten und will einfach nicht zuhause bleiben. Ich will wieder in den Verkauf", sagt sie. "Denn jetzt fühle ich mich nur schlecht."

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