Sky Shield "notwendig"
Minister warnt: "Neutralität heißt nicht Sicherheit"
Beim "Treffen der Neutralen" lobt Außenminister Schallenberg Österreichs Neutralität. Aber: "Unsere Sicherheit müssen wir selbst in die Hand nehmen."
Spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs und der Eskalation im Nahost-Konflikt ist die Neutralitätsdebatte in Österreich erneut entfacht. Diese wird besonders von den NEOS angestoßen – am Sonntag forderte EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter angesichts der aktuellen Entwicklungen, die österreichische Neutralität neu zu definieren. Es sei falsch, wenn man denkt, dass unsere Neutralität uns vor einem Angriff Russlands schützen würde.
"Achse der Neutralen stärker denn je"
Am Dienstag reiste Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zu seinem Amtskollegen Ignazio Cassis in die Schweiz – ein "Treffen unter Neutralen", wie es aus seinem Ministerium hieß. Vor Abflug kam es jedoch zu einem technischen Defekt am Swiss-Flieger, weswegen der Minister erst über eine Stunde später als geplant landete.
In Schallenbergs Geburtsstadt Bern sprachen die Chefdiplomaten über die Lage in der Ukraine, die Eskalation im Nahen Osten sowie die Unterstützung Österreichs für den Schweizer Friedensgipfel im Juni. "Die Achse der Neutralen zwischen Wien und Bern ist stärker denn je", betonte der VP-Minister.
"Neutral heißt nicht egal"
Sowohl Schallenberg als auch Cassis bekennen sich zur Neutralität, gleichzeitig bekräftigen sie: "Der staatspolitische Zwilling der Neutralität ist die Solidarität." Mit Blick auf das internationale Engagement Österreichs sagte Schallenberg: "Österreich lebt diese internationale Solidarität, ob durch unsere humanitäre Hilfe, durch die Auslandseinsätze des Österreichischen Bundesheers oder im Rahmen der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union. Denn neutral heißt nicht egal."
„Neutralität bedeutet nicht gleich Sicherheit.“
Neutralität vs. "Vogelstraußpolitik"
Schallenberg stellte vor seinem Abflug klar, dass die Neutralität für ihn "nichts Starres" sei. Sie werde innenpolitisch sowohl in der Schweiz als auch in Österreich "missinterpretiert", sagte der Minister gegenüber Journalisten. Diese "Vogelstraußpolitik, den Kopf in den Sand zu stecken, und zu glauben, dann sind wir sicher" funktioniere nicht. "Wir wollen nicht in einer Welt leben, wo das Recht des Stärkeren gilt."
Sky-Shield-Beitritt "wichtig"
Vor dem Hintergrund der Nahost-Eskalation diskutierten Schallenberg und Cassis über die Bedeutung einer modernen Luftabwehr. Gerade die Drohnenangriffe Irans auf Israel haben die Notwendigkeit einer kompakten Drohnenabwehr aufgezeigt.
Dabei warnte der österreichische Chefdiplomat davor, sich in gefährlichen Zeiten nicht nur auf die Neutralität zu verlassen: "Neutralität bedeutet nicht gleich Sicherheit. Unsere Sicherheit müssen wir selbst in die Hand nehmen." Daher sei neben der Erhöhung des Verteidigungsbudgets der Beitritt zur Luftverteidigungsinitiative European Sky Shield (ESSI) "ein wichtiger Schritt". Österreich will die Beitrittserklärung zum ESSI-Memorandum of Understanding bei einem EU-Verteidigungsministerrat Ende Mai unterzeichnen.
Neutralität trotz Sky Shield
Der Minister weiter: "Die letzten Tage haben die Bedeutung einer modernen Drohnenabwehr einmal mehr schmerzlich gezeigt. Wir spannen damit einen Schutzschirm über Österreich. Sky Shield ist die notwendige, europäische Antwort für eine wehrhafte Demokratie.“
Die Kritik, ein Beitritt zum Luftverteidigungsprogramm sei nicht mit der Neutralität vereinbar, konterte Schallenberg: Die Schweiz und Österreich haben letztes Jahr eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, um die Neutralität beider Länder im Rahmen der Initiative European Sky Shield zu wahren. Gemeinsame Beschaffung, Ausbildung und der Austausch von Radardaten stehen der Neutralität in keiner Weise entgegen, hieß es.
BILDERSTRECKE: Außenminister Schallenberg übergibt Sachertorte an Schweizer Amtskollegen Ignazio Cassis
Die Crème de la Crème der Schweiz-Reise: Eine Original Wiener Sachertorte im Gepäck des Außenministers für seinen Amtskollegen. Damit nahm das Treffen unter Neutralen ein süßes Ende.