Seitenhieb
Minister Rauch rät Kanzler, einmal tief durchzuatmen
"Das glaubt uns niemand, aber das ist so." Trotz Krise werde in der Koalition weiter gearbeitet, verspricht Minister Johannes Rauch.
Die Kanzler-Partei zeigt eine Ministerin des eigenen Koalitionspartners wegen Amtsmissbrauchs an – und regiert danach einfach weiter, als wäre nichts gewesen. So gibt sich jedenfalls das Bild nach außen, intern ist das Verhältnis endgültig zerrüttet. Sogar auf einen physischen Ministerrat wurde diese Woche erstmals seit Regierungsantritt verzichtet.
Während sich einige grüne Spitzen wie Justizministerin Alma Zadić zugeknöpft geben und auf das Statement ihres Parteichefs verweisen, ging Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch in den ORF-"Report". Dort sollte es ausgerechnet um jenes Thema ausführlich gehen, das die Krise erst ausgelöst hat: das EU-Renaturierungsgesetz.
"Kann man sich nicht vorstellen"
Gleich zu Beginn wirft sich Minister Rauch für seine Kollegin in die Presche. Leonore Gewessler sei eine, die abwägt, Meinungen einholt, sich auch Zweitmeinungen anhört und dann erst entscheidet. Wie schon in den letzten Jahren habe sie auch diesmal nach bestem Wissen und Gewissen entschieden.
"Vielleicht kann man sich das in der Republik gar nicht mehr vorstellen, dass es tatsächliche Ministerinnen und Minister gibt, die nicht nach parteitaktischen Motiven oder nach Gesinnungslage entscheiden, sondern tatsächlich nach dem Inhalt, um den es geht", holt Rauch zum Seitenhieb aus. "Und genau das hat Leonore Gewessler gemacht."
Das Renaturierungsgesetz sei eines der wichtigsten Naturschutzgesetze der EU, beschlossen wurde es deswegen per qualifizierter Mehrheit der Staaten. Zudem stehe die Entscheidung, trotz einer Ablehnung von sieben Landeshauptleuten dafür zu stimmen, im Einklang mit einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung, hätten Umfragen gezeigt.
Tief durchatmen
In der rechtlichen Frage ist sich Rauch sicher, dass Gewessler "mitnichten einen Rechtsbruch" begangen hat. "Ich weise das zurück." Mehrmals betont er das Vorgehen nach "bestem Wissen und Gewissen" auf der Grundlage von Expertise.
"Natürlich hat das für Emotionen gesorgt – ich weiß das – auch beim Bundeskanzler, auch bei der ÖVP. Vielleicht hilft einmal tief durchatmen, dann wieder herunterzukommen und die Arbeit fortzusetzen", rät Rauch dem Regierungspartner. Diese Koalition habe immerhin schon viele Krisen bestanden.
Viele Vorhaben
Der Minister sieht außerdem hier "zweierlei Maß". Denn als Gerhard Karner im EU-Rat das Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien aufrechterhalten hat, habe ihm niemand solche Fragen zu Alleingängen entgegen dem Willen des Koalitionspartners gestellt. "Leonore Gewessler hat sich keines Rechtsbruchs schuldig gemacht. Das ist ein Vorwurf, der ins Leere geht. Sie hat im Interesse von Natur und Landschaft gehandelt."
Trotz alledem soll die Regierung weiterarbeiten, zu tun würde es noch jede Menge geben: Tierschutz und Vollspaltenböden, Pensionserhöhungen, die Verwendung des sozialen Drittels der Kalten Progression, Boden- und Hochwasserschutz oder der Ausstieg aus russischem Gas, listet Rauch auf.
Und deswegen laufe die Zusammenarbeit mit der ÖVP auch nach wie vor professionell weiter. "Das glaubt uns niemand, aber das ist so."
Auf den Punkt gebracht
- Gesundheitsminister Rauch verteidigt Umweltministerin Gewessler und betont, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe
- Er weist Vorwürfe eines Rechtsbruchs zurück und rät dem Regierungspartner, tief durchzuatmen und die Arbeit fortzusetzen
- Rauch sieht auch ein "zweierlei Maß" in der Behandlung von Alleingängen innerhalb der Koalition