Was bedeutet das fürs Baby?

Mikroplastik jetzt auch in Plazenta nachgewiesen

Mikro- und Nanoplastik ist kaum mit dem Auge sichtbar, aber in unser aller Körper nachweisbar. Sogar in der Plazenta, den Fötus versorgt.

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Mikroplastik jetzt auch in Plazenta nachgewiesen
Mikroplastik ist mit 0,001 bis 5 Millimeter teilweise noch mit freiem Auge sichtbar. Alles was kleiner als 0,001 Millimeter ist, wird als Nanoplastik definiert und ist für das menschliche Auge unsichtbar.
Getty Images/iStockphoto

Eine Reihe neuerer Studien hat ergeben, dass Mikroplastik in praktisch allem enthalten ist, was wir konsumieren, von Wasser in Flaschen bis zu Fleisch und in pflanzlichen Lebensmitteln. Jetzt haben Forscher der University of New Mexico Health Sciences das Mikroplastik in der menschlichen Plazenta gemessen. Die Plazenta (Mutterkuchen) wächst während der Schwangerschaft, um das sich entwickelnde Baby mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Im Rahmen einer Studie untersuchten Leiter Matthew Campen und sein Team gespendetes Plazentagewebe. In allen 62 Proben wurde Mikroplastik gefunden.

"Fangen an, uns Sorgen zu machen"

Die Proben enthielten Mikroplastik in Mengen zwischen 6,5 und 790 Mikrogramm pro Gramm. Die durchschnittliche Konzentration lag bei 126,8 Mikrogramm Mikroplastik pro Gramm Gewebe. Das mag winzig erscheinen (ein Mikrogramm ist ein Millionstel Gramm), aber Campen befürchtet, dass stetig steigende Mengen gesundheitliche Folgen haben könnten, auch wenn die unmittelbaren Auswirkungen unklar sind. "Die Dosis macht das Gift", sagte Campen. "Wenn die Dosis immer höher wird, fangen wir an, uns Sorgen zu machen".

Mikroplastik und Nanoplastik 

Mikroplastik ist mit 0,001 bis 5 Millimeter teilweise noch mit freiem Auge sichtbar. In die Nahrungskette gelangt Mikroplastik etwa aus Verpackungsabfall. Dem Österreichischen Umweltbundesamt zufolge trägt Reifenabrieb am meisten zur Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt bei, gefolgt von Abfallentsorgung und Textilwäsche.
Es wurde bereits nachgewiesen, dass Mikroplastik von Meerestieren wie Fischen, Muscheln und Garnelen mit Plankton verwechselt und dieses als Nahrung aufgenommen wird. Durch den Verzehr von Meerestieren landet das Plastik im menschlichen Körper und wird ins Abwasser ausgeschieden. In Kläranlagen wird zwar das Abwasser von Mikroplastik befreit, allerdings gelangt es bei der Verwendung von Klärschlamm als Dünger in die Böden.
Alles was kleiner als 0,001 Millimeter ist, wird als Nanoplastik definiert und ist für das menschliche Auge unsichtbar.

Polyethylen am häufigsten gefunden

Das am häufigsten gefundene Mikroplastik (54 Prozent) war Polyethylen, das Material in Plastiksackerln und -flaschen. Polyvinylchlorid (PVC) und Nylon machten jeweils etwa 10 Prozent aus. Die restlichen 26 Prozent setzten sich aus neun anderen Kunststoffen zusammen. 

Wie Mikroplastik in die Plazenta gelangt

Kunststoffe werden seit den 1950er Jahren in großem Umfang verwendet. Ein Großteil davon landet auf Mülldeponien oder in der Umwelt. Dort zerfallen Kunststoffartikel durch Sonnenlicht und andere Faktoren allmählich in immer kleinere Teile.

"Es gelangt ins Grundwasser, in die Luft und in unsere Umwelt", sagte Garcia. "Wir nehmen es nicht nur durch die Einnahme, sondern auch durch Einatmen auf. Diese winzigen Partikel gelangen in unser Wasser, unsere Nahrung und jetzt auch in unseren Körper. Das Mikroplastik sammelt sich über Monate und Jahre hinweg an. Nanokunststoffe, die weniger als ein Tausendstel der Breite eines menschlichen Haares haben, können Zellmembranen durchdringen.

Gesundheitliche Auswirkungen noch unklar

Diese Entdeckung wirft die Frage auf, welche gesundheitlichen Auswirkungen die Exposition gegenüber Mikroplastik im Mutterleib später im Leben haben kann. Campen weist jedoch darauf hin, dass diese Verunreinigung möglicherweise einige ansonsten rätselhafte Gesundheitstrends wie entzündliche Darmerkrankungen, Darmkrebs bei jungen Menschen und eine abnehmende Spermienzahl erklären könnte. Die Entdeckung der Plazenta selbst gibt Anlass zur Sorge, da dieses Gewebe erst seit etwa acht Monaten wächst. Wenn sich in dieser kurzen Zeit erhebliche Mengen an Mikroplastik angesammelt haben, könnten in Organen, in denen sich die Partikel über Jahrzehnte ansammeln, sogar noch höhere Mengen vorhanden sein.

Kunststoffe bleiben hunderte Jahre in der Umwelt

Die Kunststoffproduktion hat in den letzten Jahrzehnten exponentiell zugenommen: bis heute wurden über 8 Milliarden Tonnen hergestellt. Das meiste weggeworfene Plastik bleibt jedoch über Jahre oder Jahrhunderte erhalten, bevor es vollständig abgebaut wird. "Es wird immer schlimmer, und die Tendenz geht dahin, dass sich die Menge alle 10 bis 15 Jahre verdoppelt", so Campen. "Selbst wenn wir heute damit aufhören würden, wird es im Jahr 2050 dreimal so viel Plastik in der Umwelt geben wie heute."

Viele gängige Kunststoffe haben eine extrem lange Halbwertszeit von bis zu Hunderten von Jahren, was bedeutet, dass sie nach menschlichem Zeitmaßstab praktisch ewig in der Umwelt verbleiben. Mikroplastik, das sich bereits in der Umwelt befindet, wird also weiterhin zu Nanoplastik abgebaut werden und möglicherweise noch Jahrhunderte lang in menschliches Gewebe eindringen, selbst wenn die gesamte Kunststoffproduktion sofort eingestellt würde.

Angesichts der zunehmenden Daten über Mikroplastik, das in Körper und Umwelt eindringt, und der explosionsartig ansteigenden Plastikproduktion warnen Forscher wie Campen eindringlich vor den möglichen Folgen. "Die Plazenta-Studie bedeutet, dass das gesamte Säugetierleben auf diesem Planeten davon betroffen sein könnte", sagte Campen ernst. "Das ist nicht gut."

red
Akt.