Alles ereignete sich im Dezember 2019. Bei einer wilden Rauferei unter zehn jungen Männern in Constantine, der drittgrößten Stadt Algeriens, kam es zu dramatischen Szenen: Ein 22-Jähriger starb, nachdem ihm ein Mann einen 16,5 Zentimeter tiefen Messerstich in den Brustkorb versetzte.
Seit nun mehr als zwei Jahren befasst sich aber ein Geschworenengericht in Graz mit dem Fall. Warum? Der Angeklagte verließ noch am Tag der Tat das nordafrikanische Land, ein internationaler Haftbefehl wurde ausgestellt. Einige Monate später wurde er dann in der Steiermark aufgegriffen, nachdem er zu Fuß auf der Pyhrnautobahn unterwegs war – seitdem sitzt er in Graz in U-Haft.
Nach fast zwei Jahren U-Haft stellt sich die Frage, warum der Mann nicht nach Algerien zurückgebracht wird. Staatsanwältin Gudrun Jakopic erklärte am ersten Prozesstag, dass die österreichische Rechtsordnung vorsehen, dass ein Angeklagter nicht ausgewiesen werden darf, wenn ihm in seiner Heimat die Todesstrafe droht. Der 25-Jährige behauptet seinerseits vor Gericht, nicht der Mörder zu sein. Er erklärte, schon länger ausreisen zu wollen – er schien tatsächlich schon ein Visum für die Türkei zu haben. Dass seine Ausreise und der Mord am selben Tag passierten, sei "Schicksal" gewesen.
Der Angeklagte und sein Cousin, der noch in Algerien sein dürfte, schieben sich die Schuld gegenseitig zu. Es gestaltet sich äußerst schwierig, die Ereignisse an diesem Dezembertag im Jahr 2019 zu rekonstruieren. In der Rauferei sollen rivalisierende Gruppen von jungen Männern verwickelt worden sein. Die beiden Cousins standen in der Auseinandersetzung zwar auf derselben Seite, aber auch ihr Verhältnis dürfte von Streitigkeiten geprägt sein. Wie die Staatsanwaltschaft Graz behauptet, sei die Kooperation bei den Ermittlungen mit den algerischen Behörden "sehr mühsam" sein.
"Dreh- und Angelpunkt dieser Verhandlung wird sein, ob der Angeklagte oder sein Cousin dem Opfer die tödlichen Stiche zugefügt haben", so die Staatsanwältin. Die Anklage stützt sich auf Ermittlungsunterlagen aus Algerien – und diese belasten eindeutig den Angeklagten. Der 25-Jährige dazu: "Ich glaube mein Cousin belastet mich, weil ich ausgereist bin." Die Tatwaffe, ein Messer der Marke Okapi, wurde von der algerischen Polizei sichergestellt, jedoch ist eine Analyse der Fingerabdrücke oder DNA-Spuren bisher nicht in Österreich eingetroffen.
Anwalt Bernhard Lehofer, der als Pflichtverteidiger fungiert, sagt, dass die Qualität der Beweise aus Algerien "sehr zweifelhaft" sei, vor allem jener, die noch gar nicht geliefert wurden. "Es muss zumindest versucht werden, Zeugen zu laden. Und wenn wir sie nur per Videokonferenz anhören", fordert Lehofer. Er will zudem eine Analyse der Tatwaffe aus Algerien einfordern lassen – dies dürfte jedoch einige Monate dauern. Der Prozess wurde vertagt.