Terrorgruppe als Regierung
Mehrere EU-Staaten erwägen Anerkennung der Taliban
Drei Jahre nach dem Abzug der US-Truppen haben die Taliban das Land wieder im Griff. Nun könnte die Terrorgruppe sogar als Regierung anerkannt werden.
Mehrere europäische Länder spielen mit dem Gedanken, ihre Botschaften in Afghanistan wiederzueröffnen – damit würden die Länder die Taliban faktisch als afghanische Regierung anerkennen. Nach dem Abzug der letzten US-Truppen im Sommer 2021 dauerte es nur wenige Wochen, bis das ganze Land wieder von der Terrorgruppe kontrolliert wurde.
In den letzten Wochen führte Italien eine Aufklärungsmission in Kabul durch, an der auch Geheimdienste beteiligt waren, wie "Bloomberg" unter Berufung auf anonyme Quellen berichtet. Außenminister Antonio Tajani bestätigte, dass Italiens Botschafter in Katar die afghanische Hauptstadt Kabul besucht habe.
"Wir arbeiten daran", sagte er letzte Woche am Rande des Nato-Gipfels in Washington. Gleichzeitig räumte er ein, dass es "Menschenrechtsprobleme" gebe. Die Lösung sei "sehr kompliziert und wird Zeit brauchen".
Das sagen Frankreich und Deutschland
Französische, deutsche und britische Beamte erklärten derweil, dass man keine unmittelbaren Pläne habe, ihre Vertretungen in Kabul wiederzueröffnen. Derzeit gibt es keine europäische Botschaft in Afghanistan. Die Europäische Union hat jedoch eine Repräsentanz im Land, die laut einem EU-Sprecher die einzige Präsenz der 27 Mitgliedsstaaten ist. Die Schweiz hat angekündigt, im Sommer 2024 ein humanitäres Büro in Kabul zu eröffnen.
Die USA decken das Land über ihre Interessenvertretung in Katar ab. Japan ist der einzige G-7-Staat mit einer Botschaft direkt in Afghanistan. Spaniens Außenminister sagte, dass sein Land den Botschafter zurückschicken werde, sobald ein Mindestmaß an Sicherheit gewährleistet sei. "Vor einem Monat waren wir bereit", so José Manuel Albares, dann starben drei Spanier bei einem Isis-Terroranschlag. Russland hat die Taliban bereits als Regierung anerkannt, zuletzt bezeichnete Putin die Terrorgruppe als "Verbündete im Kampf gegen Terrorismus".
Deutschland kann Afghanen nicht abschieben
Ein hochrangiger europäischer Diplomat betonte, dass eine physische Präsenz im Land notwendig sei, um Entwicklungsprojekte durchzuführen, die Rechte der Frauen zu schützen und eine strategische Präsenz aufzubauen. In Deutschland wird derzeit öffentlich über die Rückführung afghanischer Asylbewerber diskutiert, die Straftaten begangen haben oder verurteilte Terroristen sind. Abschiebungen sind jedoch nicht möglich, da Deutschland keine diplomatischen Beziehungen zum Taliban-Regime unterhält.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Mehrere EU-Staaten erwägen die Anerkennung der Taliban als Regierung in Afghanistan, indem sie ihre Botschaften in Kabul wiedereröffnen
- Italien hat bereits eine Aufklärungsmission in Kabul durchgeführt, während Frankreich, Deutschland und Großbritannien keine unmittelbaren Pläne zur Wiedereröffnung ihrer Vertretungen haben
- Deutschland kann aufgrund fehlender diplomatischer Beziehungen keine afghanischen Asylbewerber abschieben, die Straftaten begangen haben oder verurteilte Terroristen sind