Niederösterreich
Mathe-Professor (53) wurde 800 € Notstand gestrichen
20 Jahre hatte sich ein Mathe-Lehrer (53) aufgerieben, ist fertig! Nur: Pension bekommt er nicht, nur Notstandshilfe und die wurde ihm nun gestrichen.
"Ich möchte einfach aufzeigen, dass es traurig und beschämend ist, dass dies in einem Sozialstaat wie Österreich für einen inländischen, rechtsschaffenen, kranken Staatsbürger, der studiert hat und sich 20 Jahre lang in seinem Lehrberuf für den Staat aufopferte, möglich sein kann, keinen einzigen Cent zu bekommen und damit in hohe Schulden zu geraten", berichtet Magister Franz A. (Name geändert) aus Klosterneuburg (Bezirk Tulln) per liebevoll formatierten Brief und lässt primär über die PVA und auch über das AMS Dampf ab.
Nach 2 Jahrzehnten entlassen
Der 53-Jährige war zwei Jahrzehnte lang Mathematik-Lehrer an einer AHS, nach mutmaßlich jahrelangem Mobbing und Bossing (Anm.: Mobbing vom Chef) waren die Batterien des Herrn Professor leer. Danach war der Verfasser eines der ersten Online-Mathe-Bücher zwei Jahre im Krankenstand und soll dann von der Bildungsdirektion Wien entfernt worden sein - völlig zu Unrecht aus der Sicht des Professors. "Das jähe Ende meines Berufes habe ich bis heute nicht verarbeiten können, leide an Schlaflosigkeit und zig psychologischen Problemen", so der Akademiker, der sich nun mit Hingabe um seine Katzen kümmert.
Der Lehrer hatte schließlich 2019 seine Berufsunfähigkeit bei der PVA eingereicht. Zwei Mal soll Franz A.s Berufsunfähigkeit bereits abgelehnt worden sein, wogegen der Mathe-Professor mit Anwälten ankämpft. "Seit der Pandemie wird das noch mehr verzögert", so Franz A. Nun bezieht der Pädagoge 800 Euro Notstandshilfe vom AMS.
"22 Kilometer nach Tulln - ein Ding der Unmöglichkeit" - AHS-Professor Franz A. (53)
"Als Covid-Hochrisiko-Patient, der dazu noch mit seinem 80-jährigen Vater zusammenlebt, fällt es mir schwer, körpernahe Zusammenkünfte bei Gericht oder AMS durchzuführen. Meine Mobilität ist aufgrund eines Wirbelsäulenproblems und Schwindelanfällen total eingeschränkt. Daher ist eine Fahrt von Klosterneuburg nach Tulln, 22 Kilometer in eine Richtung, noch dazu ohne Auto, dafür mit Gehstrecken, ein Ding der Unmöglichkeit. Und daher konnte ich einen - einen einzigen - AMS-Kontrolltermin nicht wahrnehmen", berichtet der 53-Jährige.
Vom AMS gesperrt
Der Mathe-Lehrer gerät langsam in Rage: "Und dennoch wurde mir vom AMS Tulln meine letzte Lebensgrundlage und Hilfe als einstiger Akademiker, die Notstandshilfe, gesperrt. Wie soll ich mir mit null Einkünften die Miete in der Höhe von 500 Euro leisten?", fragt Franz A.
Laut dem Pädagogen vollziehe das AMS offensichtlich knallhart Gesetze ohne individuelle Risiken und Probleme der Kunden wahrzunehmen bzw. zu berücksichtigen. Denn: "Es war mein einzig, versäumter Termin", stellt der Mathematiker klar. "Meine Berufsunfähigkeit wird verschoben und abgelehnt, dafür bekomme ich im Krankenstand Kontrolltermine. Ich kann nicht mehr", so der dramatische Hilferuf des Lehrers.
Das sagt PVA
Eine Sprecherin der PVA nahm sich gleich am nächsten Tag des Falles an, zeigte Verständnis für das Einzelschicksal und bemühte sich redlich: "Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitspension ist gegeben, wenn die Berufsunfähigkeit voraussichtlich dauerhaft vorliegt, kein Rechtsanspruch auf zumutbare und zweckmäßige berufliche Maßnahmen der Rehabilitation besteht, eine Mindestanzahl an Versicherungsmonaten erworben wurde, am Stichtag die Voraussetzungen für eine (vorzeitige) Alterspension (ausgenommen Korridorpension) noch nicht erfüllt sind."
Grundlage für die Entscheidung, ob Berufsunfähigkeit vorliegt oder nicht, bilde eine ärztliche Begutachtung, bei der die Leistungsfähigkeit des Antragstellers in seinem Beruf festgestellt wird. Eine befristete Gewährung der Pension kommt für ab 1. Jänner 1964 geborene Versicherte (Anm.: Lehrer ist 53 Jahre alt und somit nach dem 1.1. 1964 geboren) nicht in Betracht. "Weitere, spezifische Details zur Causa könne man aus Datenschutzgründen nicht sagen", so die PVA-Sprecherin abschließend.
Das sagt AMS
Das AMS Tulln handelte indes nur gesetzestreu, eine Sprecherin des AMS NÖ dazu: "Die Befunde der PVA, in denen trotz gesundheitlicher Probleme "Arbeitsfähigkeit" von Jobsuchenden festgestellt wird, sind für das AMS leider bindend. Das gilt auch, wenn die Verfahren mit der Pensionsversicherungsanstalt noch offen sind. Das AMS ist also gesetzlich verpflichtet, gemeinsam mit den Betroffenen Wege zurück ins Erwerbsleben zu finden."
Immer wieder klagen Kunden über eine mutmaßlich ungerechte Behandlung beim AMS: Ein Dachdeckerhelfer wollte nicht für unter 12 Euro brutto pro Stunde arbeiten gehen, eine 47-jährige Mutter fühlte sich vom AMS von oben herab behandelt, einem Vater (34) wurde nach einem Probetag der AMS-Bezug gestrichen.