Sport
Marek: "Barisic hätte ich gerne als Schwiegersohn"
Andy Marek ist der bekannteste Stadionsprecher des Landes. Am Sonntag moderiert er sein letztes Rapid-Heimspiel. In "Heute" erzählt er seine ereignisreiche Geschichte.
Andreas "Andy" Marek hat einen Wunsch. "Ich hoffe, dass ich nochmal Tore ansagen kann. Und dann gebe ich das Mikrofon weiter", erzählt der 57-Jährige im "Heute"-Gespräch.
Marek ist Stadionsprecher bei Rapid. Und das seit mehr als 27 Jahren. 598 Heimspiele hat er moderiert – in Serie. "Selbst Fieberschübe, Magenkrämpfe und eine schwere Knie-Operation konnten mich nicht aufhalten. Ich habe eben alles dem Verein untergeordnet."
Der Waldviertler mit dem grün-weißen Herz spricht in der Vergangenheitsform. Das hat einen Grund. Denn am Sonntag endet seine Ära aus gesundheitlichen Gründen. "Zum ersten Mal in meinem Leben höre ich auf meinen Körper. Der sagt mir, dass es einfach nicht mehr so wie früher geht. Es ist die richtige Entscheidung." Die Gefühle spielen dennoch verrückt. "Es wird hochemotional, das spüre ich. Es ist sehr viel Wehmut dabei."
27 Jahre Waldviertel und retour
Täglich pendelte Marek zwischen Groß-Siegharts und Hütteldorf. "296 Kilometer. Das hat schon viel Energie gekostet." Eine Wohnung in Wien stand oft zur Diskussion. "Die hätte vieles einfacher gemacht. Aber ich habe eben mein eigenes Haus und daheim eine unglaubliche Lebensqualität", meint der Mann mit der markanten Stimme.
Wer mit Marek über seine Laufbahn spricht, benötigt Zeit. Zu viel hat er in den 10.068 Tagen seit seinem Amtsantritt erlebt. Zum Beispiel 15 verschiedene Trainer. "Um ehrlich zu sein, habe ich mich mit allen super verstanden, auch mit Lothar Matthäus", grinst der Familienvater. "Er fällt mir sogar heute noch um den Hals, wenn wir uns sehen."
Auch für die meisten anderen Coaches findet Marek schöne Worte. "Gustl Starek war ein echter Sir, zu Ernst Dokupil entstand eine enge Beziehung. Er war es auch, der mich zum Moderieren runter aufs Spielfeld geholt hat. Davor war ich in einem Kammerl."
„"Pacult hat einem alles abgefordert"“
"Ein großer väterlicher Freund wurde Josef Hickersberger. Von ihm kann ich nur schwärmen. Gar nicht einfach, aber unglaublich nett zu mir, war Peter Pacult. Mit ihm hatte ich viele Erlebnisse. Einmal hat er mich gebeten, bei einer Pressekonferenz keine Fragen an ihn zu stellen. Er ist nach der Anmoderation tatsächlich aufgestanden und gegangen. Ein Mensch, der einem alles abverlangt hat", erinnert sich Marek. "Schwer unter seinem Wert geschlagen wurde Peter Schöttel, der zu einer schwierigen Zeit kam. Stichwort Platzsturm. Und über Zoran Barisic muss ich sowieso nicht viel sagen. Ihn möchte ich gerne als Schwiegersohn haben, aber das geht sich nicht aus."
Auch auf dem Spielersektor fand Marek Freunde fürs Leben. Ans Herz sind ihm jene gewachsen, "die verstanden haben, worum es geht. Aushängeschild in Sachen Profi war der Steffen Hofmann. Der hat von Anfang an gewusst, dass ihm die Arbeit mit dem Klubservice und den Fans weiterhilft. Es ist in Wahrheit ein einfaches Spiel. Sicher gab es auch welche, die gemurrt haben, wenn sie zu einem Fanklub-Termin mussten. Aber irgendwie haben es am Ende alle begriffen."
Am Sonntag greift Marek beim Heimspiel gegen Wattens also ein letztes Mal zum grün-weißen Stadion-Mikrofon. Vermutlich wird das Match in seinem Highlights-Ranking weit vorne landen. Bislang schwärmt der Tausendsassa von folgenden Partien:
"Ohne Reihenfolge: Die Spiele gegen Aston Villa waren ein Wahnsinn. Besonders war auch die Heimpartie gegen Saloniki, das war ein echter Hexenkessel damals. Wir schaffen den Aufstieg, Hofmann erzielt von der Mittellinie ein Tor. Wahnsinn. Die Eröffnung des Allianz Stadions war ebenfalls ein absoluter Höhepunkt. Ich war sehr in die Organisation involviert – alles wurde auf den Punkt fertig."
Die Story hinter dem Liverpool-Spiel
Marek nennt ein weiteres Highlight. "2009 unser Jubiläumsspiel gegen Liverpool im Ernst-Happel-Stadion. Dazu gibt es eine unglaubliche Vorgeschichte. Wir haben uns lange um Liverpool bemüht, leider wurde es nichts. Deshalb haben wir uns mit Schalke geeinigt. Wir hatten also unser Jubiläumsmatch. Einen Monat davor meldet sich Liverpool und sagt, sie könnten nun doch eine Woche später. Ich bin also mit Stefan Ebner (damals Teammanager, Anm.) nach Bregenz gefahren, dort haben wir uns mit der Agentur getroffen. Die nannte uns einen Betrag, der nicht erschwinglich war. Ich habe trotzdem zugestimmt. Der Stefan schaut mich an und meint, er muss kurz unterbrechen und mit mir rausgehen. Ich erkläre ihm, dass wir ins Happel-Oval gehen und das garantiert voll kriegen. Wir unterschreiben also den Vertrag – und hatten ein ausverkauftes Match, das wir sogar gewinnen konnten."
Die Marek-Story ist freilich nicht nur von Sonnenschein geprägt. Als Gründer und Verantwortlicher des Klub-Services gingen ihm vor allem Fan-Themen sehr nahe.
"Der Derby-Platzsturm 2011 war sicher das negativste Erlebnis. Es wurde eine Dimension erreicht, die ich nicht für möglich gehalten habe. Wobei aber nicht der Platzsturm an sich, sondern seine Auswirkungen der Tiefpunkt waren. Wir haben ein dreiviertel Jahr keine Gesprächsbasis mit den Fans gehabt. Wenn du mit deiner Zielgruppe nicht mehr reden kannst, ist es vorbei. Dann kannst du zusperren. Es wurden 102 Stadionverbote von der Liga ausgesprochen. Erst nach acht, neun Monaten begann der Rapid-Zug wieder zu fahren."
„"Ich kontrolliere keine Transparente"“
Verfehlungen der Anhänger begleiteten Marek über all die Jahre. Immer wieder sorgten derbe Transparente für öffentliches Stirnrunzeln. Selbst Ex-Spieler waren nicht gefeit. "Bei manchen Dingen hatte ich gewisses Verständnis, wenngleich ich eine andere Ausdrucksweise gewählt hätte", sagt die Stadionsprecher-Ikone. "Man muss halt die Hintergründe kennen. Da gibt es Spieler, die küssen das Wappen und sagen in Interviews, sie werden Rapid nie verlassen, schon gar nicht zu den Dosen. Und wenige Monate später ist es dann doch der Fall. Da ist die Enttäuschung bei manchen sehr groß."
Den Vorwurf, er hätte über den Inhalt der Plakate vorab Bescheid gewusst, weist Marek zurück. "Nein, die Transparente werden von mir nicht kontrolliert. Nur beim Eingang werden sie gecheckt, soweit es möglich ist. Einige werden dann halt auch hineingeschwindelt."
Marek sieht sich selbst als "Bindeglied zwischen Verein und Fans. Das ist in 100 Fällen 97 Mal gut gegangen. Manchmal waren aber Dinge dabei, die nicht gut für die Zusammenarbeit waren. Es ist halt kein Wunschkonzert. Das sind Gruppierungen mit einer eigenen Meinung", sagt der 57-Jährige, der betont: "Es waren schwierige Tage dabei, aber umso mehr unglaublich schöne."
Fakt ist: In den Anfangstagen war das von Marek 1998 gegründete Klub-Service ein verglichen mit heute gemütliches Geschäft. "Mein Ziel war es, einem Rapidler das Fan-Leben so einfach wie möglich zu gestalten. Das hat sich dann entwickelt und wurde immer größer." Am Ende war Marek unter anderem bei der Betreuung von Abonnenten, Mitgliedern, Fanclubs und Greenies, beim Ticketing, bei der Spieltags-Organisation, beim Merchandising, bei der Organisation des 2.300 Personen fassenden VIP-Clubs im Allianz Stadion und bei rund 100 Rapid-Veranstaltungen im Jahr federführend.
„"Vor 25 Jahren war es ruhiger, jetzt geht die Post ab"“
Internet, Social Media und Co. haben die Arbeit verändert. "Am Anfang habe ich mit den Leuten via Brief kommuniziert. Jetzt sage ich zu meiner Mitarbeiterin, sie soll bitte an alle Mitglieder etwas ausschicken – es ist ein Knopfdruck. Zehn Minuten später wissen es alle. Das ist ein riesiger Vorteil. Die Kehrseite der Medaille ist die Schnelllebigkeit, das Erfinden von Gerüchten, wo du sofort wieder eine Antwort brauchst, wo man immer reagieren muss. Vor 25 Jahren war es sicher wesentlich ruhiger. Jetzt geht halt die Post ab. Die Digitalisierung bringt viele Vorteile, ist aber auch mega-anstrengend."
Dinge, um die sich Marek bald nicht mehr scheren muss. Die Pension ist freilich noch kein Thema. "Ich muss ja von etwas leben. Deshalb werde ich künftig viel moderieren. Das habe ich immer schon gemacht. 80 Prozent davon hatten mit Sport nichts zu tun. Das waren Firmen-Eröffnungen, Jubiläumsveranstaltungen und so weiter."
Marek als TV-Quizmaster?
Bleibt die Frage: Wo wäre Marek heute, hätte es Rapid nie gegeben? "Ich komme aus der Textilbranche, habe mich dort sehr wohl gefühlt. Ohne Rapid hätte ich meine Geschäfte vermutlich nicht verkauft. Aber auch Fernsehen hätte mich interessiert, das war schon ein Ziel von mir. Ich wollte immer eine Show haben, eine Quiz-Show zum Beispiel. Vielleicht kommt das noch."
Wo auch immer ihn sein weiterer Lebensweg hinführt, eines scheint auf lange Sicht garantiert: Marek ist der einzige Stadionsprecher mit eigenem Wikipedia-Eintrag. "Der gehört allerdings ergänzt", meint der Beschriebene. Zumindest um den 16. Februar 2020.
Autor: Erich Elsigan