Hohe Bleiwerte

Machte billiger Wein Beethoven taub?

Eine DNA-Analyse von Ludwig van Beethovens Haaren zeigt, dass er wahrscheinlich unter einer Bleivergiftung litt.

Machte billiger Wein Beethoven taub?
Der Komponist war dem Wein sehr zugetan.
iStockphoto.com; Collage: heute.at

Mit seinen Kompositionen wurde Ludwig van Beethoven weltberühmt. Seine 9. Sinfonie feierte gerade erst Jubiläum: Am 7. Mai vor 200 Jahren wurde sie in Wien uraufgeführt. Doch auch die Gesundheitsprobleme, mit denen er zeit seines Lebens kämpfte, interessieren noch heute. Pünktlich zum Jubiläum ist eine neue Studie erschienen, die eine Erklärung für Beethovens frühe Taubheit liefert.

Was hat den Komponisten taub werden lassen?

Das Team um Nader Rifai vom Boston Children’s Hospital und Harvard Medical School (USA) hat zwei Haarsträhnen Beethovens (siehe Box) analysiert und sehr hohe Schwermetallkonzentrationen nachweisen können. So fanden die Forschenden das 13-Fache des normalen Gehalts an Arsen und das Vierfache des typischen Gehalts an Quecksilber im Haar vor. Zudem stießen sie auf enorme Bleiwerte: Die eine Strähne enthielt 380 Mikrogramm Blei pro Gramm Haar, die andere 258 Mikrogramm Blei. Normal wären etwa vier Mikrogramm pro Gramm Haar. "Das sind die höchsten Werte bei Haaren, die ich je gesehen habe", so Paul Jannetto, Pathologe an der Mayo Clinic in Rochester und Co-Autor der Studie, zur "New York Times".

Woher stammen die Haarproben?
Die Echtheit der beiden Strähnen wurde mittels Genomanalyse bestätigt. Laut den Forschenden wurden beide Beethoven zu Lebzeiten (1770–1827) abgenommen. Die eine stammt aus dem Zeitraum zwischen Ende 1820 und März 1827, die andere von April 1826. Damals war es nicht ungewöhnlich, dass Menschen Strähnen von geliebten Menschen oder Prominenten haben wollten, wie der Musikhistoriker John D. Wilson von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf Oeaw.ac.at erklärt. Zudem sei bekannt, dass Beethoven in seinem Testament festgehalten habe, "dass er seine Überreste der Medizin zur Verfügung stellen möchte, um seine Leiden besser zu erforschen".

Auch eine 2005 veröffentlichte Studie, für die ein Schädelknochen Beethovens untersucht worden war, hatte dem Komponisten eine chronische Bleivergiftung attestiert. Demnach litt der deutsche Komponist wahrscheinlich schon vor seinem 20. Lebensjahr unter dem giftigen Einfluss von Blei. Die nun erneut festgestellte hohe Bleiexposition könnte "zu den dokumentierten Beschwerden beigetragen haben, die ihn die meiste Zeit seines Lebens plagten", heißt es in der im Fachjournal "Clinical Chemistry" veröffentlichten Studie. Ob es aber tatsächlich so war, ließe sich derzeit nicht sicher beantworten.

Wie ist Beethoven mit den Schwermetallen in Kontakt gekommen?

Das kann nur vermutet werden. Es stehen mehrere Theorien im Raum:

1. Das Blei könnte der Komponist über Wein zu sich genommen haben, den er laut seinen Freunden zu jedem Mahl getrunken haben soll. Zu Beethovens Zeiten war der Wein oft mit Bleiacetat, auch "Bleizucker" genannt, versetzt, um den Geschmack zu verbessern. Zudem wurde Wein damals in mit Blei gelöteten Kesseln fermentiert und in bleihaltige Flaschen abgefüllt, schreibt die "New York Times". Auch über den Korken könnte das Schwermetall in Beethovens Glas gelangt sein. Die wurden damals in Bleisalz getaucht, um die Versiegelung zu verbessern.

2. Das Blei könnte auch über Arzneimittel in Beethovens Körper gelangt sein. Diese enthielten damals häufig Schwermetalle. Und der Komponist musste aufgrund seiner Leiden zahlreiche Medikamente einnehmen.

3. Blei, Arsen und Quecksilber könnte Beethoven auch über die Nahrung aufgenommen haben. Er soll viel Fisch aus der Donau gegessen haben. Das Gewässer sei damals mit den Schwermetallen belastet gewesen.

Starb Beethoven an der Schwermetallvergiftung?

Dazu gibt es kontroverse Studienergebnisse: So kam der Wiener Gerichtsmediziner Christian Reiter 2007 zu dem Schluss, die hohe Bleibelastung habe zum Tod des Komponisten geführt. Allerdings wurde eine der von ihm analysierten Proben mittlerweile als unecht eingestuft. Sie soll von einer Frau stammen. Reiter vermutet allerdings, dass der widersprüchliche Befund auf eine Verunreinigung zurückgeht.

Eine im März 2023 im Fachjournal "Cell Biology" veröffentlichte Studie, in der "nahezu sicher authentische" Haarsträhnen analysiert wurden, kommt dagegen zu dem Schluss, "dass Beethoven definitiv nicht an einer Bleivergiftung gestorben ist", wie der Musikhistoriker John D. Wilson von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sagt. Die Studienautoren selbst hielten fest, dass Beethoven "eine genetische Veranlagung für Lebererkrankungen hatte". Weitere Analysen hätten zudem gezeigt, dass der Komponist "zumindest in den Monaten vor seinem Tod an einer Hepatitis-B-Infektion litt". Zusammen mit der genetischen Veranlagung und seinem weithin akzeptierten Alkoholkonsum lieferte dies plausible Erklärungen für Beethovens schwere Lebererkrankung, die in seinem Tod gipfelte. Auch die Autoren der aktuellen Studie bewerten die nachgewiesenen "Bleiwerte als nicht hoch genug, um die alleinige Todesursache zu sein".

Auf den Punkt gebracht

  • Eine DNA-Analyse von Ludwig van Beethovens Haaren zeigt, dass er wahrscheinlich unter einer Bleivergiftung litt, was zu seiner Taubheit und anderen Gesundheitsproblemen führte
  • Es wird vermutet, dass Beethoven das Blei möglicherweise durch den Konsum von bleihaltigem Wein, Arzneimitteln oder belastetem Fisch aufgenommen haben könnte
  • Es gibt kontroverse Studienergebnisse darüber, ob Beethoven tatsächlich an einer Schwermetallvergiftung gestorben ist
red, 20 Minuten
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