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Machen keimende Erdäpfel wirklich krank?
Der Artikel über keimende Kartoffeln hat die Leser bewegt. Wie schädlich ist es, wenn solche gegessen werden? Zwei Experten geben Auskunft.
Essen Sie Kartoffeln nicht, wenn sie so aussehen: Die Warnung eines Ernährungsexperten vor keimenden Erdäpfeln wurde in der "Heute"-Leserschaft kontrovers diskutiert.
Denn oft weisen Kartoffeln bald nach dem Kauf Triebe auf. Diese enthalten Solanin, das giftig ist. Gehören keimende Kartoffeln also entsorgt? Wir haben nachgefragt.
Warum beginnen Kartoffeln, kaum sind sie zuhause, zu keimen?
Wie schnell die Knollen keimen, ist von mehreren Faktoren abhängig – der Sorte, der Witterung während des Wachstums der Kartoffeln und den Lagertemperaturen, erklärt Andreas Keiser, Professor für Ackerbau und Pflanzenzüchtung: "Nach einem heißen Sommer beispielsweise sind die Kartoffeln weniger lange lagerfähig als nach einem kühlen. Zudem keimen die Kartoffeln rascher, wenn sie warm gelagert werden."
Um das vor dem Verkauf zu verhindern, "würden sie im Lager oft bei niedrigen Temperaturen um die 4 Grad Celsius gelagert", so Brice Dupuis, Kartoffelexperte bei der Forschungsanstalt Agroscope. Dadurch werde der physiologische Keimprozess gehemmt. Etwas, was früher mithilfe chemischer Keimhemmungsmittel versucht wurde. Der Verzicht darauf kann laut Keiser dazu führen, dass die Kartoffeln nach der Auslagerung rascher keimen.
Wie gefährlich sind keimende Kartoffeln wirklich?
Laut Dupuis gar nicht, lediglich die Festigkeit der Knollen könne beeinträchtigt werden. Der Fachmann bezieht sich dabei auf die Erkenntnisse seines Kollegen Chris Bishop von der britischen Lincoln University. Demnach sind nicht die Keime das Problem, sondern eine Grünfärbung der Schale. "Grüne Kartoffeln produzieren die für den Menschen giftigen Glykoalkaloide Solanin und Chaconin", so Brice.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, empfehlen beide Experten, die Knollen trocken und dunkel zu lagern. "Solanin wird erst gebildet, wenn die Kartoffeln Licht ausgesetzt sind", sagt Keiser.
Dieses Video hat die Debatte entfacht:
Wie viel Solanin verträgt der Mensch?
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat anlässlich eines durch ein Kartoffelgericht ausgelösten Vergiftungsfalls im April 2018 empfohlen, die Obergrenze für Unbedenklichkeit von den aktuell 200 Milligramm Solanin pro Kilogramm auf 100 Milligramm Solanin pro Kilogramm hinabzusetzen.
Weil der Solaningehalt für den Laien kaum erkennbar ist, raten Experten, allfällige grüne Stellen an den Knollen wegzuschneiden. Einen Hinweis auf den Solaningehalt in Kartoffelspeisen liefert deren Geschmack: Schmeckt die Kartoffel bitter, sollte man besser nicht mehr weiteressen.
Kann man die keimenden Knollen einpflanzen?
Das kann man schon, sollte man aber nicht unbedingt, wie Keiser erklärt: "Es wäre besser, eigens dafür produziertes Pflanzgut zu kaufen, da dieses für die Auspflanzung ideal gelagert wurde." Dieser Meinung ist auch Dupuis: "Zum Verzehr gekaufte Speisekartoffeln sollte man nicht anbauen, da sie bakterielle oder virale Krankheiten übertragen können." Zwar stellten diese für den Menschen keine Gefahr dar, dennoch werde empfohlen, zertifizierte und damit krankheitsfreie Kartoffelsetzlinge zu kaufen.
Was passiert mit dem Solanin?
Es wird im Erdreich von Bodenmikroorganismen abgebaut.
Muss man bei Kartoffeln generell etwas Besonderes beachten?
Die Knollen sind ein "lebendiges Produkt", das entsprechend sorgfältig gelagert und behandelt werden muss. Deshalb sollten sie am besten aus der Verpackung genommen und an einem kühlen, trockenen, dunklen Ort gelagert werden. Im Kunststoffbeutel ist es zu feucht, und die Qualität nimmt rasch ab. Auch der Kühlschrank bietet sich nicht an, so Keiser. "Darin würden die Kartoffeln süß werden."