Spezialaufführung geplant

Leiser, dunkler: "Phantom der Oper" ist jetzt anders

Leonie Strahl (23) ist Autistin - sie und ihr Assistenzhund "Magic" arbeiten im Raimund Theater. Und helfen, es für neue Besuchergruppen zu öffnen.

Hannah  Maier
Leiser, dunkler: "Phantom der Oper" ist jetzt anders
Leonie Strahl und Hund "Magic" sind Teil der Bühnen-Crew im Raimund Theater.
Denise Auer

"Ich liebe es ins Theater zu gehen, aber gerade früher in meiner Kindheit war es eine Herausforderung", erinnert sich Leonie Strahl. Nach einem Theaterbesuch musste sich die heute 23-Jährige mehrere Tage lang zu Hause ausruhen, um wieder herunterzukommen. Denn Strahl ist Autistin. Menschenmengen und auch laute Geräusche versetzen sie in Stresssituationen.

Mittlerweile hat Strahl gelernt, mit diesen Situationen gut umzugehen. Hilfe bekommt sie dabei von ihrem Assistenzhund "Magic". Die beiden gehören seit eineinhalb Jahren zur Bühnen-Crew im Raimund Theater und sorgen für einen reibungslosen Theaterbetrieb. Denn Strahl hat ihre persönliche Liebe zum Theater zum Beruf gemacht und arbeitet - trotz Erkrankung - als Lichttechnikerin.

Mit Theaterhund durch den Arbeitsalltag

Strahl hat sich bereits in jungen Jahren für Technik interessiert, schließlich Event-Engineering studiert, Praktika gemacht und dann 2023 als Lichttechnikerin im Raimund Theater zu arbeiten begonnen. Dabei setzt sie die Bühnendarsteller ins rechte Licht, betreut Video- und Nebelmaschinen, arbeitet am Lichtpult und repariert Geräte.

Immer an ihrer Seite ist Assistenzhund Magic, ausgebildet für Autismus und Krampfanfälle. Er begleitet Strahl durch ihren privaten sowie beruflichen Alltag. "Er erkennt Stresssituationen mittels Geruch und zeigt sie mir durch Anstupsen an. Er hat auf mich eine beruhigende Wirkung, zum Beispiel stellt er sich an der Supermarkt-Kassa zwischen mich und die anderen Menschen. Magic kann mir in Notfällen auch Medikamente bringen", erzählt Strahl. Unter den Kolleginnen und Kollegen ist er sehr beliebt. "Magic ist der Theaterhund. Alle kennen und lieben ihn. Jedes Büro hat Leckerlis für ihn dabei", lacht Strahl.

Menschenmassen sind eine Challenge

Vor allem große Menschenmengen sind für Strahl eine Herausforderung. "In der Arbeit kann ich denen aber ganz gut ausweichen", erzählt die gebürtige Kärntnerin. Ein eigener Raum steht ihr als Rückzugsort zur Verfügung. "Ich bin sehr froh, dass auf meine Situation Rücksicht genommen wird und ich die Möglichkeit habe, im Raimund Theater zu arbeiten."

Raimund Theater präsentiert "Musical für alle"

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    Leonie Strahl, VBW-Mitarbeiterin mit Autismus und Hund Magic
    Leonie Strahl, VBW-Mitarbeiterin mit Autismus und Hund Magic
    Denise Auer

    Die Lichttechnikerin möchte dazu beitragen, dass Theaterbetriebe auch für das Publikum noch inklusiver werden. "Die Vereinigten Bühnen Wien leisten hier bereits Großartiges. Dank des Konzepts zur 'relaxed performance' im Raimund Theater wird es nun aber auch erstmals im deutschsprachigen Raum die Möglichkeit geben, dass neurodiverse Menschen Musiktheater entspannt erleben können", freut sich Strahl.

    "Phantom der Oper" wird inklusiv

    Am 14. Juli 2024 wird das weltbekannte Musical "Das Phantom der Oper" für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, Behinderung oder Neurodiversität (u.a. Autismus, ADHS) zugänglich gemacht. Dabei werden unter anderem Reizfaktoren wie Licht und laute Geräusche reduziert. Bei dem Projekt konnte Strahl ihre Erfahrungen aus dem persönlichen Alltag und ihrer Bachelorarbeit zum Thema Neurodiversität und Lichttechnik einbringen. "Was mir sehr am Herzen liegt, ist, dass es Rückzugsräume im Zuschauerbereich geben wird."

    Mit der inklusiven Musical-Aufführung hoffen die Vereinigten Bühnen Wien eine Vorreiterrolle im deutschsprachigen Raum einnehmen zu können. "Nur weil Theaterbesuche für Menschen wie mich unangenehm sein können, heißt es nicht, dass kein Interesse daran besteht. Viele Menschen haben nur Angst davor, dass etwas schiefgeht. Für diese Personen muss man die Gegebenheiten einfach ein bisschen anpassen – das gilt nicht nur für Theaterbesuche, sondern für den ganzen kulturellen Raum, wie Museen, Kinos oder auch Tiergärten", so Strahl.

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