Immer mehr Direktoren und Lehrer der rund 440 Pflichtschulen in ganz Wien melden einen schwerwiegenden Personalmangel in ihren Schulen. Thomas Krebs, Lehrergewerkschafter (fcg) und Vorsitzender des Zentralausschusses der Wiener LandeslehrerInnen (ZA) führte eine Befragung durch, um die Ausmaße des Problems greifbar zu machen. Die Ergebnisse sind schockierend.
„Es wurde uns mitgeteilt, dass mindestens 50 klassenführende LehrerInnen und 100 TeamlehrerInnen fehlen sollen“Thomas KrebsLehrergewerkschafter
Die Lage brenzlig, so die Umfrage. In vielen Standorten sei der Betrieb nur noch eingeschränkt möglich. In rund 60 Prozent aller Schulen sei der gravierende Personalmangel bereits eingetreten oder drohe einzutreten. Mehr als 25 Prozent der Befragten gaben an, dass mehr als drei Lehrpersonen fehlen oder fehlen werden. Auch die Bildungsdirektion sehe die Lage als ernst an. "Es wurde uns als Standesvertretung mitgeteilt, dass mindestens 50 klassenführende LehrerInnen und 100 TeamlehrerInnen fehlen sollen," so Krebs.
Die Voraussagen des Bildungsministeriums, dass genügend Personal vorhanden sei, würden sich demnach nicht bewahrheiten. Krebs nimmt an, dass die Zahlen der fehlenden Lehrer weitaus höher sein könnte, als das Bildungsministerium angibt.
Lehrer, die zwar offiziell ihrem Beruf nachgehen, jedoch beispielsweise in Langzeitkrankenständen oder Mutterschutz sind, verzerren die Statistik. Sie seien zwar auf dem Papier vorhanden, können ihren Job jedoch nicht ausüben, so der Lehrervertreter.
Besonders bereiten Krebs jedoch all jene Sorgen, die den Lehrberuf bereits nach wenigen Tagen wieder aufgeben, da die Belastung für sie zu hoch ist. Als Grund hierfür sieht er die Ausbildung, die zu weit weg vom alltäglichen Berufsleben ist. Eine kürzere und inhaltlich bessere Vorbereitung auf den Job sieht er als dringend notwendige Maßnahme an. Besonders mehr Praxisbezug wird von ihm gefordert.
Trotz der Überlastung der Schulen werden weiterhin personalintensive Projekte durchgezogen. Schüler, die eigentlich eine intensive sonderpädagogische Betreuung benötigen, würden oft in reguläre Klassen integriert, da es an ausreichend Sonderpädagogen fehlt. Lehrer befürchten, dass sie so ihre eigentliche Arbeit nicht mehr leisten können. Sie möchten ohne Störungen durch nicht-pädagogische Aufgaben oder Disziplinprobleme unterrichten.
Da immer weniger Lehrer immer größere und schwierigere Aufgaben übernehmen müssen, sinke die Qualität des Unterrichts für alle Schüler. Gleichzeitig führe dies zu einem verstärkten Burnout bei den Lehrern. Viele Pädagogen stehen täglich vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen und äußern zunehmend: "Wir schaffen das nicht mehr", berichtet Krebs.
Lehrer, die eigentlich auf Deutschförderung spezialisiert sind, müssen plötzlich reguläre Klassen übernehmen. Besonders schlimm treffe es die Fächer Mathematik, Sport und Musik.
Als wäre das nicht genug: Immer häufiger müssen Menschen ohne pädagogische Ausbildung in die Bresche springen! Freizeitpädagogen oder "irgendjemand, der gerade zur Stelle ist", müsse die Klassen übernehmen – nur um den Schulbetrieb vor dem totalen Kollaps zu bewahren, erzählt Krebs.