Verbraucherschutzverein hilft
Krebsgefahr! Wienerin klagt wegen Beatmungsgerät
Wegen Schlafapnoe muss Andrea E. in der Nacht ein Beatmungsgerät tragen. Doch der Schaumstoff im ersten Gerät (wurde getauscht) kann Krebs auslösen.
Mitte Juni 2021 fiel Andrea E. (62) aus allen Wolken: Die Wienerin erhielt – wie alle anderen Benützer von Philips Beatmungsgeräten bei Schlafapnoe in Österreich (Herstellung vor April 2021) – eine Sicherheitswarnung (von ihrem Geräte-Lieferanten), dass der darin enthaltene Schaumstoff sich auflösen und in die Lunge gelangen kann. Auch eine krebserregende Wirkung könne laut Philips nicht ausgeschlossen werden.
"Als ich die Warnung erhalten habe, war ich wie paralysiert. Drei Monate war ich nicht fähig, eine Entscheidung zu treffen. Ich war in der Zwickmühle: Soll ich das Gerät benützen oder nicht? Wenn ich es nicht benützt hätte, wäre die Gefahr gewesen, dass ich durch die Atemaussetzer einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleide. Und, wenn ich es benütze, steht wieder die Krebsgefahr im Raum. Ich musste abwägen, was in diesem Moment für mich das Schlimmere ist und habe mich dann dazu entschlossen, das Gerät weiter zu verwenden", berichtet Andrea E. im Gespräch mit "Heute".
„Bereits im Dezember 2019 hatte ich Augenentzündungen, Kopfschmerzen und später dann auch Reizhusten und Nasenbluten“
Die Schlafapnoe – längere Atemaussetzer während des Schlafes – wurde bei der Wienerin nur durch Zufall entdeckt: "Ich hatte 2019 eine Knie-OP. Während der OP bin ich kollabiert. Ich wurde dann sechs Stunden beobachtet und mir wurde dringend geraten, einen Termin in einem Schlaflabor zu machen. Dort wurde dann die Schlafapnoe festgestellt. In vier Stunden hatte ich 112 Atemaussetzer, einige davon waren fast eine Minute lang", erinnert sich die 62-Jährige.
Noch im gleichen Jahr erhielt Andrea E. ein Beatmungsgerät der Firma Philips, dieses wurde allerdings erst im August 2022 ausgetauscht: "Bereits im Dezember 2019 hatte ich Augenentzündungen, Kopfschmerzen und später dann auch Reizhusten und Nasenbluten. Aktuell bin ich oft kurzatmig, habe rote Augen, Nebenhöhlenentzündungen und fühle mich oft erschöpft", erklärt die Wienerin.
62-Jährige klagt auf Schadenersatz
Die Pensionistin vermutete hinter den Symptomen zuerst Corona, dies konnte jedoch ausgeschlossen werden: "Ein CT-Befund ergab zudem, dass es knapp drei Zentimeter große Verdichtungen bei meinen Lymphknoten gibt." Ob dies im Zusammenhang mit dem Schaumstoff des alten Gerätes steht, muss nun ein Gutachter klären.
Denn Andrea E. hat sich entschieden, gerichtlich gegen den Hersteller vorzugehen. Vertreten von Maximilian Maier, Vertrauensanwalt des Verbraucherschutzvereines, klagt die 62-Jährige auf 20.000 Euro Schadenersatz und 32.000 Euro Feststellung für mögliche Folgeschäden. Eine Verhandlung am Wiener Handelsgericht hat bereits stattgefunden, Mitte Februar geht es mit der Befragung des Gutachters weiter.
„Berichte der FDA legen nahe, dass die Herstellerin in den USA seit dem Jahr 2015 von den Problemen gewusst haben könnte. Trotzdem wurde nichts unternommen“
"Wir klagen aufgrund der Medizinprodukthaftung. Berichte der FDA legen nahe, dass die Herstellerin in den USA seit dem Jahr 2015 von den Problemen gewusst haben könnte. Dass sich der Schaumstoff zersetzt, kann zuerst zu Entzündungen und dann zu Zellmutationen, also Krebs, führen. Trotzdem hat der Hersteller nichts unternommen", meint Maier, der 30 Klienten in Österreich aufgrund der schadhaften Beatmungsgeräte vertritt, zu "Heute".
In den USA wurde schließlich ein Rückruf der Medizinprodukte angeordnet, seit Juni 2021 erfolgt der Austausch auch in Österreich – anfangs allerdings schleppend. Rund 35.000 Patienten verwendeten betroffene Geräte, laut Philips wurden davon bisher 31.070 (Stand: 31.10.) ersetzt. 938 Geräte konnten nicht mehr zurückverfolgt werden. Somit bleiben noch rund 3.000 Geräte übrig, die den schadhaften Schaumstoff beinhalten.
VSV-Sammelaktion für Betroffene
Unterstützt werden Betroffene vom Verbraucherschutzverein (VSV) mit einer Sammelaktion – bisher haben sich rund 500 Personen gemeldet. Unter verbraucherschutzverein.eu/philips können sich Geschädigte ohne Rechtsschutzversicherung anmelden: "Wir bereiten eine Sammelklage vor und sind gerade dabei, einen Prozessfinanzierer zu finden. Betroffene sollen sich unbedingt bei uns melden", erklärt VSV-Obfrau Daniela Holzinger-Vogtenhuber.
Holzinger-Vogtenhuber kritisiert zudem das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG): "Die Geräte von Philips haben zwar ein CE-Zeichen, doch diese werden nicht in Österreich, sondern im Auftrag der Hersteller vergeben. Medizinische Produkte gehören durch eine österreichische Behörde, wie etwa das BASG, überprüft, das CE-Zeichen allein reicht nicht."
Ein weiterer Kritikpunkt: Sowohl Philips als auch das BASG wollen das Sicherheitsdatenblatt nicht herausgeben: "Um eine mögliche entsprechende (Krebs-)Behandlung zu gewährleisten, müssen Patienten aber die genaue chemische Zusammensetzung des Schaumstoffes kennen", meint die VSV-Obfrau.
„In Italien hat das Pendant zum BASG Philips eine Frist gesetzt, bis zu der alle Geräte ersetzt sein müssen. Ansonsten droht eine Pönale von 20.000 Euro pro Tag. Das fordern wir auch in Österreich“
Auch, dass der Austausch der schadhaften Geräte so schleppend erfolgt, ist der VSV-Obfrau ein Dorn im Auge: "In Italien hat das Pendant zum BASG dem Hersteller eine Frist gesetzt, bis zu der alle Geräte ersetzt sein müssen. Ansonsten droht Philips eine Pönale von 20.000 Euro pro Tag. Das fordern wir auch in Österreich," so Holzinger-Vogtenhuber.
Philips droht indessen bezüglich seiner Beatmungsgeräte weiterer Ärger in den USA: Die FDA gab bekannt, dass sie über Probleme wie Feuer, Rauch, Verbrennungen und andere Anzeichen einer Überhitzung von Dreamstation-2-Geräten informiert wurde. Allein zwischen August und Mitte November gab es 270 Vorfälle.