Mehr Touristen als Einwohner

Kommen jetzt Time-Slots in der Wiener City?

Österreich hat die meisten Touristen pro Kopf. WKO-Touismus-Obmann Robert Seeber spricht vom Phänomen des "Unbalanced Tourism".

Christine Scharfetter
Kommen jetzt Time-Slots in der Wiener City?
WKO-Touismus-Obmann Robert Seeber will qualitativem statt quantitativem Tourismus.
Montage: Markus Scholz / dpa / picturedesk.com; Franz Neumayr / picturedesk.com

Zwar ist Frankreich mit 100 Millionen Ankünften im Jahr 2023 laut UN Tourism nach wie vor das populärste Zielland ausländischer Touristen, doch Österreich hat weit mehr Besucher pro Kopf. Mit 30,9 Millionen Gästen landet die Alpenregion auf Platz eins, wenn man Touristen- durch Einwohnerzahl teilt. Die Rate liegt dann bei 3,4 Gästen pro Ortsansässigem.

Vom Problem des sogenannten "Overtourism" sei Österreich - "abgesehen von einigen Hotspots" - jedoch nicht betroffen. Das versichert Robert Seeber, Obmann der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich, gegenüber "Heute".

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    Jahr für Jahr liegt die Gemeinde fest in Touristenhand.
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    Qualitativer statt quantitativer Tourismus

    Er spricht hingegen vom Phänomen des "Unbalanced Tourism", den es zu entzerren gelte. Beschrieben wird damit, wie beim Massentourismus, die Situation, wenn die Auswirkungen des Tourismus zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten die Kapazitätsschwellen überschreiten.

    Dem müsse man mit entsprechenden Maßnahmen entgegenwirken, so Seeber. "Möglich wären Time-Slots, Infotools oder attraktive alternative Angebote, abseits der ausgetretenen Tourismuspfade. Die Entwicklung muss jedenfalls in Richtung qualitativem statt quantitativem Wachstum gehen."

    Wichtig sei hier allerdings, Lösungen auf regionaler Ebene und unter Einbeziehung der Bevölkerung zu treffen, betont der Tourismus-Experte. Schließlich sei die Tourismusakzeptanz in Österreich mit 75 von 100 Punkten im Jahr 2023 sehr hoch. Ein Wert, an dem man verständlicherweise nicht rütteln möchte. Sonst könnten vielleicht auch hierzulande noch die Wasserspritzpistolen gegen Touristen gezückt werden, wie es diesen Sommer in Barcelona der Fall war.

    "Für Österreich ist der Tourismus von großer Bedeutung – er ist ein wichtiger Wirtschafts- und Wohlstandsmotor und sichert hunderttausende Arbeitsplätze", betont Seeber.

    Wettlauf um die Besten

    Allerdings steht man damit bereits vor dem nächsten Problem. "Noch nie gab es auf dem gesamten österreichischen Arbeitsmarkt so viele offene Stellen." Alleine im Tourismus fehlen rund 19.000 Arbeitskräfte. "Hier muss aktiv gegengesteuert werden."

    Der Mangel betrifft laut Fachkräfteradar der Wirtschaftskammer Österreich praktisch alle Bereiche des Tourismus und der Freizeitwirtschaft in ganz Österreich. Am schwersten betroffen sind jedoch die westlichen Bundesländer. "Speziell in der Hochsaison werden hier noch mehr Arbeitskräfte benötigt als sonst. Gesucht werden unter anderem Köch:innen, Servicemitarbeiter:innen oder Mitarbeiter:innen im House-keeping."

    Hier würde es gute, innovative Konzepte brauchen, um "den Wettlauf um die besten Mitarbeiter:innen zu gewinnen". Dieses Bewusstsein besteht laut WKO-Umfrage bereits auch in den meisten Betrieben, bei denen mittlerweile mehr als die Hälfte planbare Dienstzeiten und flexible Arbeitszeiten anbieten. "Betriebe bezahlen zudem deutlich über Kollektivvertrag", so Seeber.

    Arbeiten bis ins Pensionsalter und mehr Überstunden

    Um zusätzlich Arbeitskräfte zu gewinnen, müsse man jedoch mehrere Hebel in Gang setzen: "Darunter mehr Anreize für längeres Arbeiten über das derzeitige Pensionsalter hinaus, sprich steuer- und abgabenfreien Zuverdienst in der Pension ermöglichen. Eine weitere Attraktivierung von Überstunden, wie sie gänzlich steuerfrei machen, damit sich Mehrarbeit stärker lohnt. Internationale Arbeitskräfte durch gezieltes Anwerben aus dem Ausland gewinnen. Und darüber hinaus ist es notwendig, die Lohnnebenkosten zu senken."

    Auf den Punkt gebracht

    • Österreich verzeichnet die meisten Touristen pro Kopf weltweit, was zu einem Phänomen des "Unbalanced Tourism" führt, bei dem bestimmte Orte an bestimmten Zeiten überlastet sind
    • WKO-Tourismus-Obmann Robert Seeber schlägt Maßnahmen wie Time-Slots und alternative Angebote vor, um den Tourismus nachhaltiger zu gestalten, während gleichzeitig der Mangel an Arbeitskräften im Tourismussektor durch innovative Konzepte und Anreize bekämpft werden muss
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