Die Erderhitzung macht nicht nur uns Menschen langsamer, sondern auch die ganze Erde. An den Polen schmilzt so viel Eis, dass das bereits messbar die Tage verlängert. Je nachdem, wie stark sich die Erde aufheizt, könnte dieser Klima-Effekt in Zukunft sogar die Gezeitenkräfte des Mondes übertrumpfen, fanden Züricher Forscher heraus.
Durch den Klimawandel schmelzen die Eismassen in Grönland und der Antarktis. Das Wasser aus den Polgegenden fließt in die globalen Ozeane und vor allem auch in den Äquatorbereich. "Das heißt, es findet eine Massenverlagerung statt, und diese wirkt sich auf die Erdrotation aus", erklärt Benedikt Soja von der ETH Zürich.
Sorgenvoller Blick in die Zukunft: Es geht zwar derzeit nur um 1,33 Millisekunden, auf ein ganzes Jahrhundert gesehen. Trotzdem: Der Klimawandel lässt die Tage auf der Erde länger werden. Und das in einem Ausmaß, den moderne Satelliten messen können.
Der Effekt ist Ergebnis einer Kettenreaktion: Der Klimawandel bringt das Eis in den Polargebieten zum Schmelzen; dadurch steigt das Wasser in den Weltmeeren – dies verändert wiederum die Masseverteilung auf der Erde und verlangsamt die Erdrotation.
"Man kann sich das so vorstellen, wie wenn eine Eiskunstläuferin bei einer Pirouette die Arme zuerst am Körper hält und dann ausstreckt. Die anfänglich schnelle Drehung wird dadurch langsamer, weil die Massen sich von der Drehachse entfernen und die Trägheit zunimmt", erklärt Soja.
Dreht sich die Erde langsamer, werden die Tage länger. Der Klimawandel verändert somit auch die Tageslänge auf der Erde, wenn auch nur minimal.
Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, könnte der Effekt größer werden als der Einfluss des Mondes auf die Erdrotation, warnen die Forscher. Die Schwerkraft des Mondes bringt auf der Erde Gezeitenkräfte hervor, die in Ebbe und Flut sichtbar werden. Das "Gezerre" des Mondes an der Erde verlangsamt minimal die Rotation der Erde und verlängert damit den Tag.
„Wir Menschen haben einen größeren Einfluss auf unsere Erde als wir denken“Benedikt SojaForscher an der ETH Zürich
Wenn die Menschen weiterhin mehr Treibhausgase ausstoßen und sich die Erde dementsprechend erwärmt, hätte dies letztendlich einen stärkeren Einfluss auf die Drehgeschwindigkeit der Erde als die Wirkung des Mondes, der seit Milliarden von Jahren die Zunahme der Tageslänge bestimmt.
"Wir Menschen haben einen größeren Einfluss auf unsere Erde als wir denken", schließt Benedikt Soja, "und daraus resultiert natürlich auch eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten."