Trockenheit in Südamerika
Klimakrise lässt Amazonas-Gebiet verdursten
Seit Wochen herrscht in der Amazonasregion enorme Dürre. Flussdelphine und Fische sind massenweise verendet. Flüsse verzeichnen Rekordtiefstände.
Seit Wochen herrscht Ausnahmezustand im Amazonasgebiet. Seltene Flussdelphine und Fische sind massenweise verendet und in vielen großen Zuflüssen des Amazonas ist das Wasser auf Rekordtiefstände gesunken. Der Schiffsverkehr ist zum Erliegen gekommen, ganze Siedlungen sind von der Außenwelt abgeschnitten. In zahlreichen Gemeinden wurde der Notstand ausgerufen: Mehr als 600.000 Menschen fehlt es an Trinkwasser, Medikamenten und Nahrungsmitteln, berichten die Vereinten Nationen.
Besonders betroffen von der aktuellen Dürre ist der Bundesstaat Amazonas. Der Rio Negro, zweitgrößter Nebenfluss des Amazonas, erreichte den niedrigsten Stand seit Beginn der offiziellen Messungen.
Vor allem die Bevölkerung an den Flussufern leidet. Viele von ihnen können sich normalerweise nur per Boot auf den Flüssen fortbewegen. Wegen des niedrigen Pegelstandes sind zahlreiche Boote auf Grund gelaufen, die Versorgung der Gemeinden mit Wasser, Lebensmitteln oder Medikamenten wird immer schwieriger. Die Regierung im Bundesstaat Amazonas rief für alle 62 Bezirke den Notstand aus.
Amazonas gefährlich nahe am Kipppunkt
Wenn der zweitlängste Fluss der Erde, der Amazonas, austrocknet und sein verästeltes Netzwerk an Zuflüssen versiegt, liegt darin nicht nur eine Gefahr für Fische, Vegetation und die Menschen, die in der Region leben – sondern auch für das Weltklima und damit für uns alle.
Denn ohne Wasser kann der Regenwald des Amazonasbeckens nicht überleben. Er würde sich über weite Flächen hinweg in eine karge Savanne mit lichterem Baumbestand verwandeln, sagt der brasilianische Klimawissenschaftler Carlos Nobre, der die Region seit vielen Jahrzehnten erforscht gegenüber der "Zeit Online".
Das aber wäre nicht nur für das Ökosystem fatal: Die Böden und Pflanzen des Amazonasregenwalds speichern zwischen 150 und 200 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, umgerechnet rund 550 bis 734 Milliarden Tonnen CO₂. Nobre schätzt, dass innerhalb von 30 bis 50 Jahren mindestens 200 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre gelängen, wenn der Regenwald zu einer Savanne würde.
Stirbt der Amazonasregenwald, könnte das eine zusätzliche Erderhitzung von 0,1 bis 0,3 Grad bedeuten, wird der Klimaforscher Niklas Boers vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in "Zeit Online" zitiert – und genau dieser Temperatursprung könnte etwa das Schicksal des Grönland-Eises besiegeln und die Klimakrise mit weitreichenden globalen Folgen zusätzlich verschärfen.