Hitze-Phänomen

Klima-Klage: Ab 25 Grad sitzt MS-Kranker im Rollstuhl

Bei Hitze verschlechtern sich die Symptome der Multiplen Sklerose bei Mex M. (43). Er klagt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Österreich Heute
Klima-Klage: Ab 25 Grad sitzt MS-Kranker im Rollstuhl
Mit der Klage beim EGMR wollen Anwältin Michaela Krömer und Mex M. (r.) Österreich in die Klima-Pflicht nehmen.
klimaklage.at

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg (F) urteilte nun über drei Klagen, die europäischen Staaten Versagen im Kampf gegen die Erderwärmung vorgeworfen hatten. Eine Gruppe von 2.000 Schweizer Pensionistinnen hat es geschafft – der EGMR hat ihrer Klima-Klage stattgegeben. Die anderen Klagen wurden zurückgewiesen.

"Es ist ein historischer Tag – damit wurde bestätigt, dass die Staaten eine Schutzpflicht in Klimafragen haben", freut sich Anwältin Michaela Krömer von der Initiative "CLAW" für Klimarecht. Die Entscheidung betrifft auch einen ihrer Mandanten: Mex M. (43) hat Multiple Sklerose (MS), ab einer Temperatur von 25 Grad ist er auf den Rollstuhl angewiesen.

Der EGMR legt die individuellen Hürden der Betroffenheit zwar hoch, aber im Fall von Mex M. könnten diese genommen werden
Michaela Krömer
Rechtsanwältin der Initiative "CLAW" für Klimarecht

Da er seine Grundrechte auf Leben und Gesundheit in Österreich nicht ausreichend geschützt sieht, reichte auch er Ende März 2021 eine Klima-Klage ein: "Der EGMR legt die individuellen Hürden der Betroffenheit von der Klima-Krise zwar hoch, aber im Fall von Mex M. könnten diese nun genommen werden. Denn er ist stark betroffen", zeigt sich die Juristin im Gespräch mit "Heute" optimistisch.

Der gebürtige Waldviertler studierte in Wien Theologie und Mathematik, nach zwei Jahren wechselte er auf ein Kolleg für Erneuerbare Energien: "Bevor ich aufgrund meiner Krankheit in Berufsunfähigkeitspension gehen musste, war ich Energieberater. Ich habe versucht, den Menschen klarzumachen, wie sie Energie sparen können", so Mex M.

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    Schulterschluss zwischen Politik und Kultur mit drei Mitgliedern der Wiener Stadtregierung: Peter Hanke (Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen), Jürgen Czernohorszky (Stadtrat für Klima und Umwelt) und Veronica Kaup-Hasler (Stadträtin für Kultur und Wissenschaft).
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    eSeL.at - Lorenz Seidler

    Ab 30 Grad geht gar nichts mehr

    Nach einem Zeckenbiss und möglichem Borreliose-Verdacht wurde Mex M. 2004 genau untersucht, nach einem halben Jahr wurde schließlich Multiple Sklerose mit schubhaftem Verlauf diagnostiziert. Wie rund 80 Prozent aller MS-Patienten leidet auch der 43-Jährige unter dem sogenannten Uhthoff-Phänomen – einer Funktionsstörung vorgeschädigter Nerven.

    Ausgelöst durch Hitze verschlimmern sich vorübergehend die MS-Symptome. Auch Menschen mit Fatigue oder einem geschädigten Nervensystem können davon betroffen sein. Für den ehemaligen Energieberater bedeutet das, dass er ab 25 Grad auf den Rollstuhl angewiesen ist, ab etwa 30 Grad kann er sich nicht einmal mehr rühren.

    Die Nerven schaffen es dann einfach nicht mehr, den Muskeln mitzuteilen, sich zu bewegen
    Mex M.
    MS-Betroffener mit Uhthoff-Syndrom

    "Die Nerven schaffen es dann einfach nicht mehr, den Muskeln mitzuteilen, sich zu bewegen. Ich vergleiche das immer mit einem ferngesteuerten Auto: Der Motor funktioniert, die Reifen bewegen sich, aber die Fernsteuerung ist kaputt", erzählt der verheiratete Gmündner.

    Zum Glück wohnt der 43-Jährige nicht nur im kühlen Waldviertel, sondern auch noch – dank seiner Ausbildung – in einem Passivhaus: "Im Winter kommt die Kälte nicht hinein, und im Sommer die Hitze nicht. Es ist wie eine Thermoskanne", erklärt Mex M.

    "Spätwinter wird mein Sommer"

    Vor allem hohe Temperaturen über einen längeren Zeitraum machen dem Niederösterreicher – er absolvierte ab 2006 trotz seiner Krankheit das berufsbegleitende Studium Elektronik und Wirtschaft – zu schaffen. Ein Hitzeofen wie die Großstadt Wien kommt für ihn nicht infrage. Auch die derzeitige vorzeitige Wärme gibt dem ehemaligen, langjährigen Baseball-Trainer zu denken: "Früher war das Frühjahr mein Sommer, jetzt geht es immer mehr in die Richtung, dass der Spätwinter mein Sommer wird", meint er.

    Nicht zuletzt aufgrund der stattgegebenen Klima-Klage beim EGMR ist Mex M. "nach wie vor zuversichtlich". Denn er ist aufgrund seiner Erkrankung nachweislich von der Erderwärmung betroffen. Wird seiner Klage stattgegeben, könnte der EGMR Österreich dazu verpflichten, sich mehr für Betroffene im Kampf gegen die Klimakrise einzusetzen: "Ich erhoffe mir zumindest eine Reaktion. Es muss einfach mehr Bemühungen geben, damit dem Klimawandel endlich Einhalt geboten wird", fordert der 43-Jährige.

    red
    Akt.