Kärnten

Kletterin mit Multipler Sklerose erklimmt Erfolgsleiter

"Aufgeben gibt's nicht", könnte das Motto von Kletterin Sandra Pollak (50) lauten. Die Kärntnerin mit MS kämpfte sich aus dem Rollstuhl.

Christine Ziechert
Sandra Pollak (49) kämpfte sich vom Rollstuhl auf die Kletterwand.
Sandra Pollak (49) kämpfte sich vom Rollstuhl auf die Kletterwand.
Christian Fina/zVg

Dass Leistungssport auch mit Handicap möglich ist, beweist Sandra Pollak (50) seit fünf Jahren: 2017 wurde die Kärntnerin aus Maria Saal ins Paraclimbing Nationalteam aufgenommen, klettert seitdem von Erfolg zu Erfolg – trotz Multipler Sklerose und einem Genickbruch nach einem schweren Verkehrsunfall vor vier Jahren. Pollak, die am 8. Juni ihren 50. Geburtstag feierte, lässt sich nicht unterkriegen.

Die ersten Anzeichen der entzündlichen, neurologischen Erkrankung, die das Nervensystem schädigt, gab es schon früh: "Mit 22 Jahren hatte ich immer wieder Entzündungen am Sehnerv. Ich wurde nach Graz geschickt. Dort hieß es, ich soll die Entzündungswerte beobachten", erzählt Pollak im "Heute"-Interview.

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    SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger
    "Am Anfang ging es nur noch bergab. Mein Herz spielte verrückt, ich habe kaum gehen können. Der Kniestand ging nur mit Anhalten" - Parathletin Sandra Pollak

    Im Jahr 2000 traten dann massive Probleme bei Pollak auf: "Ich hatte Gleichgewichtsstörungen und Kribbeln im Körper. Es wurde ein MRT gemacht – leider mit der falschen Schnitt-Technik, dadurch konnte die Multiple Sklerose nicht festgestellt werden. Die Krankheit hat dann fünf Jahre in meinem Schädel gewütet, 2005 wurde es noch einmal angeschaut, da kam dann die Diagnose", erinnert sich die 50-Jährige.

    Was folgte, war ein körperlicher Zusammenbruch: "Am Anfang ging es nur noch bergab. Mein Herz spielte verrückt, das ist extrem auf die Herzmuskulatur gegangen. Ich habe kaum gehen können, der Kniestand ging nur mit Anhalten. Ich landete im Rollstuhl, musste meinen selbstständigen Party- und Catering-Job aufgeben und ging dann mit 33 Jahren in Pension", so die dreifache österreichische Paraclimbing-Meisterin, die seit 2014 eine Inklusions-Klettergruppe organisiert.

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      Sandra Pollak ist dreifache Kletter-Staatsmeisterin.
      Sandra Pollak ist dreifache Kletter-Staatsmeisterin.
      Stefi Koller

      Standard-Therapie bei Multipler Sklerose wirkte nicht

      Auch der psychische Aspekt spielte eine große Rolle: "Zuerst ist man traurig und wütend, will es einfach nicht wahrhaben. Aber dann kommt der Punkt, an dem man es akzeptieren sollte. Und man muss auch erkennen, dass man den Zustand bis zu einem gewissen Grad selbst beeinflussen kann."

      Obwohl bei Pollak die gängigen Multiple-Sklerose-Medikamente nicht wirkten und sie zudem noch eine Histamin-Intoleranz entwickelte, gab die Kärntnerin nicht auf: "Ich war nur noch Haut und Knochen, bekam hochkalorische Nahrung und hielt eisern Diät. Schließlich stabilisierten sich meine Kaliumwerte", meint die 50-Jährige.

      "Ich muss regelmäßig Sport treiben, da ich einen verstärkten Muskelabbau habe und sonst nicht mehr gehen kann. Beim Training gehe ich dann an meine Grenzen." - Sandra Pollak

      Bei der Ergotherapie wurde schließlich der Grundstein für Pollaks Klettererfolge gelegt: Trotz vieler Rückschläge wagte sich die Kärntnerin an die Therapie-Kletterwand und steigerte ihre Leistung. Schließlich konnte sie sogar einen Kletterkurs für Fortgeschrittene absolvieren: "Wenn es mir gut geht, trainiere ich vier- bis fünfmal pro Woche. Ich muss regelmäßig Sport treiben, da ich einen verstärkten Muskelabbau habe und sonst nicht mehr gehen kann. Beim Training gehe ich dann an meine Grenzen." 

      Dank einer neuen Therapie ist Pollak seit 2010 relativ stabil, dennoch hatte sie vergangenes Jahr zwei leichte Krankheitsschübe: "Ich musste das Training die vergangenen Monate stark zurückschrauben. Im Oktober 2021 hatte ich noch taube Zehen. Seit März bin ich wieder etwas belastbarer und trainiere etwa 20 Stunden pro Woche. Es fehlt mir noch an Kraft und Ausdauer, ich habe Einiges aufzuholen, muss zum Beispiel meine Halsmuskulatur wieder auftrainieren. Meine ganze linke Seite ist ja muskulär schwächer."

      Genickbruch kostete Pollak fast das Leben

      Pollak kämpft nicht nur immer wieder mit Rückschlägen, ein schwerer Verkehrsunfall kostete der Paraclimberin vor vier Jahren beinahe das Leben: "Es hat genieselt, mein Auto hat nach einer Rechtskurve nach links gezogen. Ich bin in eine Hecke hineingefahren, das Auto wurde bei einem Metallpfeiler nach oben katapultiert und hat sich überschlagen. Ich war sofort bewusstlos", erinnert sich die 50-Jährige. 

      Trotz des schweren Unfalls hatte die Kärntnerin unglaubliches Glück: "Ich hab damals viele Schutzengel gehabt. Wäre ich gerade in die Wand hineingefahren, gäb's mich nicht mehr. Ich hatte einen Genickbruch, hatte aber das Glück, dass ich auftrainiert war und einen Packen Muskeln hatte. Nach vier Monaten konnte ich wieder trainieren."

      "Heuer liegt der Fokus bei mir auf Gesundheit. Ich versuche, Stress und psychische Belastungen zu vermeiden und auf mich zu schauen" - Sandra Pollak

      Dass Leistungssport in Kombination mit Multipler Sklerose eine Herausforderung ist, ist Pollak durchaus bewusst. So bereitete sich die 50-Jährige auf den "Climbing World Cup" in Innsbruck (bis 26.6.) vor, lässt es aber noch ruhig angehen: "Heuer liegt der Fokus bei mir auf Gesundheit. Ich versuche, Stress und psychische Belastungen zu vermeiden und auf mich zu schauen. Ich will einfach langsam für's nächste Jahr aufbauen, wenn die Sportkletter-WM in Bern stattfindet. So lange es mir Spaß macht, mache ich weiter", blickt die 50-Jährige optimistisch in die Zukunft.