Fehlende Deutschkenntnisse
Kinder und Lehrer "fliehen" aus Brennpunktschulen
Jeder dritte Erstklässler ist außerordentlicher Schüler - sein Deutsch ist zu schlecht, um den Unterricht zu verstehen. Ein Lehrer spricht Klartext.
Schüler und Lehrer in Not. Das Bildungssystem steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Ein Drittel aller Erstklässler kann dem Unterricht nicht folgen, weil sie nicht ausreichend Deutsch können – obwohl große Teile von ihnen hier geboren sind und bereits den Kindergarten besucht haben. Für Lehrer und Klassenkollegen ist das eine Herausforderung.
Lehrergewerkschafter sieht Abwärtsspirale
"Der soziale Aspekt in einer Klasse leidet darunter. Wie sollen die Kinder zusammenhalten oder Freundschaften schließen, wenn sie sich untereinander nicht mal richtig verstehen?", fragt sich Lehrergewerkschafter Thomas Krebs. Er verortet eine Abwärtsspirale. Es sei erschreckend, dass so viele Kinder, die bereits hier aufgewachsen seien und den Kindergarten besucht haben, nicht richtig Deutsch können, so Krebs.
Die Auswirkungen in der Klasse sind schlimm - auch für die, die perfekt Deutsch können. "Die Gefahr ist groß, dass sich Lehrer am langsamsten Schüler orientieren und die anderen dann Lernstoff verpassen", meint der Gewerkschafter. Das bedeute natürlich einen gewaltigen Nachteil für die Kinder, aber auch für die Lehrer. Die Klassen werden immer größer, die Kinder immer unterschiedlicher. Das könne eine Lehrkraft alleine nicht lösen. Laut dem Gewerkschafter bräuchte es eigentlich mehr und dafür kleinere Gruppen und mehr Unterstützungspersonal.
Kinder und Lehrer "fliehen"
Doch davon ist aktuell noch keine Spur. Die Auswirkungen bekommt Krebs in seinem Job regelmäßig mit. Immer mehr Kinder würden Schule wechseln. Die Eltern schicken sie in Schulen, in denen das Sprachproblem nicht so gravierend ist. Das betreffe zum Teil sogar Familien, die selbst zugewandert sind: "Die wollen nicht, dass ihr Kind die deutsche Sprache wieder verlernt", so der Gewerkschafter.
Doch nicht nur Schüler, auch Lehrer "fliehen" regelmäßig. Entweder wechseln sie ebenfalls die Schule oder sie gehen in ein anderes Bundesland, in dem diese Probleme nicht so vorhanden sind wie im Ballungszentrum Wien. Vereinzelt gebe es auch welche, die den Beruf an den Nagel hängen und sich umorientieren.
Kindergärten und Eltern in die Verantwortung ziehen
Krebs fordern nun die Politik auf, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern sofort zu handeln. "Wir haben das Problem jetzt seit einigen Monaten massiv. Das muss angegangen werden", fordert er. Seiner Meinung nach sollte man vor allem auch die Kindergärten in den Fokus nehmen. "Wenn ein Kind ein Jahr oder länger im Kindergarten war und dann kein Deutsch kann, muss man hier schon nachfragen", findet er. Auch die Eltern als wichtigste Erziehungsinstanz gehören in die Pflicht genommen.
Auf den Punkt gebracht
- Immer mehr Erstklässler haben Probleme mit der deutschen Sprache, was zu überfüllten Deutschförderklassen und Herausforderungen für Lehrer und Schüler führt
- Lehrergewerkschafter Thomas Krebs warnt vor den sozialen Auswirkungen und fordert Maßnahmen von der Politik, Kindergärten und Eltern, um das Problem anzugehen