Pflegemama erzählt
"Kind mit Packerl"? Podcast räumt mit Vorurteilen auf
Pflegeeltern übernehmen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Ein neuer Podcast will diese Familienform nun endlich vor den Vorhang holen.
"Die Kleine kommt ja ganz nach Ihnen!". Diesen Satz bekommt Antonia Stabinger in letzter Zeit öfters zu hören. Tatsächlich besteht zwischen ihr und der kleinen Maria (Name von der Redaktion geändert) durchaus eine gewisse Ähnlichkeit – wenn man danach sucht: dunkle Locken, große Augen, ein strahlendes Lächeln. Doch Stabinger ist nicht Marias leibliche Mutter; sie nahm sie als neun Monate altes Kleinkind bei sich auf. Eine ihrer besten Entscheidungen bisher, wie die Kabarettistin und Pflegemutter erzählt.
In den Köpfen vieler Menschen dominieren nach wie vor traditionelle Vorstellungen von Familie und Elternschaft. Gemeinsam mit Pflegefamilienberater Ludwig Krausneker möchte Stabinger nun mehr Bewusstsein für andere Familienformen schaffen. In Österreichs erstem Podcast für Pflegefamilien wollen die beiden Fragen rund um Pflegeelternschaft beantworten sowie Sorgen und Ängste nehmen.
Wer will ein "Kind mit Packerl"?
13.695 Kinder wurden 2022 in Österreich bei Pflegepersonen oder in sozialpädagogischen Einrichtungen betreut. Im Schnitt lebt knapp die Hälfte davon in Pflegefamilien. Für die Steiermark weiß man: Alleine dort sind es über 500 Pflegefamilien, die aus insgesamt 902 Pflegepersonen bestehen.
Hinter den Zahlen verbergen sich individuelle Schicksale und Geschichten – so wie die von der kleinen Maria. Im ersten Halbjahr nach der Geburt hatte die biologische Mutter versucht, selbst für Maria zu sorgen, doch die Minderjährige scheiterte daran. "Was wir immer wieder hören ist, dass man als Pflegefamilie ein 'Kind mit Packerl' bekommt. Doch das kann man so nicht sagen. Dies trifft nicht nur auf Pflegekinder zu, sondern kann auch Kinder betreffen, die bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen", hält Krausneker fest.
Mit Vorurteilen und Irrtümern aufräumen
In einer krisengeplagten Welt mit vielen Negativschlagzeilen hatte Stabinger das Bedürfnis, etwas Soziales zu machen. "Ich wollte das Leben für einen Menschen besser machen", erzählt sie. Dieser Mensch ist nun Maria, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei Stabinger bleibt.
Im Schnitt werden nur zwei bis drei Prozent der Kinder von den biologischen Eltern zurückgefordert. Ein deutlich höherer Anteil an leiblichen Eltern stellt zwar einen Antrag auf Rückführung, tatsächlich kommen aber nur sehr wenige Kinder wieder zurück in die Herkunftsfamilien. In der Steiermark waren es 2022 gerade einmal drei Kinder.
"Es ist ein großer Irrglaube, dass Pflegekinder immer wieder zurück zu ihren biologischen Eltern kommen", sagt dazu Krausneker. Er ist seit rund einem Jahr als Pflegefamilienberater und Psychologe bei affido, einer der österreichweit größten privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, tätig. Mit diesem und vielen weiteren Irrglauben soll nun aufgeräumt werden – und welches Format eignet sich heutzutage besser dafür als ein Podcast?
Der erste Podcast für Pflegefamilien
"Ich bin begeistert vom Pflegekinder-System in Österreich und finde, dass viel mehr Menschen davon wissen sollten", begründet Stabinger ihre Entscheidung, am Podcast mitzuwirken. "Jedes Kind hat das Recht, in einer Familie aufzuwachsen. Oft ist es bei den biologischen Eltern nicht möglich. Daher übernehmen Pflegefamilien eine wichtige gesellschaftliche Rolle, auf die wir mehr Aufmerksamkeit lenken wollen", ergänzt Krausneker.
Wie gehe ich mit der Herkunftsfamilie des Pflegekindes um? Wie finde ich mich in meine neue Rolle als Elternteil? Kommt das Kind irgendwann wieder weg? Im neuen Podcast "Kreisrund mit Ecken" werden Fragen wie diese beantwortet. Drei Mal im Monat, immer mittwochs, erscheint eine neue Folge. Die beiden Podcast-Hosts geben persönliche und wissenschaftlich fundierte Einblicke in das Leben von Pflegefamilien- und kindern. Sie sprechen mit Experten, ehemaligen und aktuellen Pflegekindern und laden die Hörer ein, sich mit Fragen in den Podcast einzubringen.