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Kapitol-Sturm – grünes Licht für Verfahren gegen Trump

Der Ausschuss zum Sturm auf das US-Kapitol ruft die Justiz auf, strafrechtlich gegen Donald Trump vorzugehen. So etwas gab es noch nie.

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Die Empfehlung ist einmalig und ein Paukenschlag – auch wenn vor allem ein symbolischer.
Die Empfehlung ist einmalig und ein Paukenschlag – auch wenn vor allem ein symbolischer.
REUTERS
Um was geht es?

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitol hat entschieden: Er empfiehlt dem US-Justizministerium, Ermittlungen gegen Donald Trump aufzunehmen. Das gab es noch nie.

Was wird dem 45. US-Präsidenten vorgeworfen?

Aufruhr, Verschwörung gegen die US-Regierung sowie Behinderung eines öffentlichen Verfahrens – alles happige Straftatbestände. Allein der letzte Punkt sieht bei einer Verurteilung eine Gefängnishöchststrafe von 20 Jahren vor.

Trump soll seine radikalen Anhänger angestachelt haben, am 6. Jänner 2021 das Kapitol zu stürmen, um eine Bestätigung des Siegs von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl vom November 2020 zu verhindern (die Erkenntnisse der jeweiligen Hearings sind unten zusammengefasst). Beim Sturm auf das Parlament starben fünf Personen, 150 Polizisten wurden verletzt. Der Vorfall erschütterte die USA und sorgte international für Entsetzen. Es war ein buchstäblicher Angriff auf die Demokratie.

Was sind die Folgen für Trump?

Der Antrag wird jetzt Sonderstaatsanwalt Jack Smith übergeben. Dieser war von Generalstaatsanwalt Merrick Garland mit der Leitung der strafrechtlichen Ermittlungen gegen Trump betraut worden. Die Entscheidung, ob Anklage erhoben wird, liegt also bei Smith.

Doch die Empfehlung hat kein rechtliches Gewicht. Das Justizministerium ist also nicht dazu angehalten, Maßnahmen zu ergreifen. Doch auch so seien Trumps Berater alarmiert, schreibt Maggie Habermann, "New York Times"-Reporterin mit tonnenweise Insiderwissen. Ihnen dürfte klar sein, dass es kein positives Signal aussendet, wenn ein Kongress-Ausschuss davon ausgeht, dass ein ehemaliger Präsident Verbrechen begangen hat.

Die Empfehlung dürfte sich auch kaum positiv auf Trumps ohnehin schon sinkende Popularitätsrate auswirken. Millionen Amerikaner und Amerikanerinnen hatten die Anhörungen am TV verfolgt und gesehen, wie etwa Trumps ehemaliger Justizminister William Barr oder Angestellte des Weißen Hauses den 76-Jährigen schwer belasteten.

Und: Das Justizministerium ermittelt bereits in der Frage, ob Trump rechtswidrig die Machtübergabe nach der Präsidentschaftswahl vom November 2020 behindert und nach seinem Abgang Geheimdokumente entwendet hatte.

Noch wurde keine Anklage erhoben – doch die Empfehlung des Ausschusses könnte den Druck auf Sonderermittler Smith erhöhen, das jetzt zu tun.

Könnte Trump 2024 trotz Anklage antreten?

Ja – und nein. Eine Anklage oder sogar eine Haftstrafe würde Trump nicht aus dem Rennen um das Präsidentenamt nehmen. Die Verfassung legt die Anforderungen für Präsidentschaftskandidaten fest – und ein leeres Vorstrafenregister gehört nicht dazu (wohl aber Alter und Geburtsort). So gibt es in der US-Geschichte mehrere Beispiele von Häftlingen und ehemaligen Häftlingen, die für das Amt des Präsidenten kandidierten.

Aber es gibt ein Aber: Abschnitt 3 des 14. Verfassungszusatzes sieht vor, dass Personen, die wegen Aufruhrs verurteilt wurden, keine politischen Ämter mehr bekleiden dürfen. Sollte Trump eines Tages wirklich wegen Aufruhrs verurteilt werden, dürfte er kein politisches Amt mehr ausüben.

Wie reagiert Trump?

In einer Erklärung bezeichnete Steven Cheung, ein Sprecher Trumps, den Ausschuss als "Känguru-Gericht", das "Schauprozesse von Never-Trump-Parteigängern abhält, die einen Schandfleck in der Geschichte dieses Landes darstellen". Trump selbst wütete von Anfang an gegen den Untersuchungsausschuss des Parlaments und sprach ihm jede Legitimität ab.

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    Mehr grau als orange: Donald Trump zeigte sich veränderter Mähne vor den Medien. (13. November 2020)
    Mehr grau als orange: Donald Trump zeigte sich veränderter Mähne vor den Medien. (13. November 2020)
    Reuters

    Diese Woche wird für den 76-Jährigen ohnehin schwierig. Am Dienstag berät ein Ausschuss des Repräsentantenhauses unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber, was mit Trumps Steuererklärungen geschehen soll. Der Ausschuss könnte diese noch in diesem Jahr öffentlich machen, solange der Kongress noch von den Demokraten dominiert ist – etwas, das Donald Trump während Jahren bekämpft hat.

    Am Mittwoch schließlich will der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitol seinen Abschlussbericht veröffentlichen.

    Welche Beweise gibt es?

    Es gab über 1.000 Befragungen und zehn öffentliche Anhörungen von vorgeladenen Zeugen. Auch Trump hatte der Ausschuss vorgeladen, doch dieser weigerte sich zu erscheinen. Dazu wurden über eine Million Dokumente zusammengetragen, die im Detail nachzeichneten, was am 6. Januar passiert war und welche Rolle der US-Präsident und seine Verbündeten dabei spielten.

    9. Juni, Hearing 1: Außer Trump wussten alle von seiner Niederlage

    Die erste öffentliche Anhörung drehte sich um Video- und schriftliches Beweismaterial von Trumps engsten Verbündeten. Diese sagten aus, gewusst zu haben, dass Trump die Wahl gegen Joe Biden verloren hatte, obwohl dieser auf dem Gegenteil bestand.

    13. Juni, Hearing 2: Trump hatte sich "von Realität entfernt"

    Bei der zweiten Anhörung wurden Leute wie der einstige Justizminister William Barr vorgeladen. Mit Blick auf die Wahlniederlage sprach dieser davon, dass Trump sich "von der Realität entfernt" habe.

    16. Juni, Hearing 3: Trump setzte seinen Vize unter Druck

    Bei der dritten öffentlichen Anhörung ging es um Mike Pence, den damaligen Vizepräsidenten. Der Ausschuss legte Beweise vor, wie Trump Pence sowohl öffentlich als auch privat unter Druck setzte: Pence sollte den Sieg von Joe Biden nicht bestätigen (was dieser dennoch tat).

    21. Juni, Hearing 4: Trump schüchterte Beamte und Politiker ein

    In der vierten Anhörung schilderten mehrere Beamte und Politiker, wie sie von Trump bedrängt wurden, die Wahlergebnisse nicht anzuerkennen. Mehrere Zeugen sagten aus, wie sie nach ihrer Weigerung von Trump und seinem Team drangsaliert wurden.

    23. Juni, Hearing 5: Trump bedrängte Justizministerium

    Der Ausschuss legte Beweise vor, wie Trumps Team versuchte, das Justizministerium unter Druck zu setzen, damit es das Narrativ der "gestohlenen Wahl" übernimmt. Hochrangige Beamte des Ministeriums für Innere Sicherheit wurden aufgefordert, Wahlcomputer von den Regierungen der Bundesstaaten zu beschlagnahmen, um den angeblichen Betrug, für den es bis heute keine Anhaltspunkte gibt, aufzudecken.

    28. Juni, Hearing 6: Spektakuläre Aussagen einer Überraschungszeugin

    Dies war eines der aufsehenerregendsten Hearings, zumal Cassidy Hutchison als Überraschungszeugin aussagte. Die ehemalige Trump-Mitarbeiterin im Weißen Haus warf diesem vor, sich über das Risiko einer gewaltsamen Eskalation am 6. Jänner 2021 schon im Vorfeld bewusst gewesen zu sein.

    Er habe auch gewusst, dass einige Demonstranten bewaffnet sein würden. Hutchison legte zudem eine Verbindung zwischen Trumps Anwalt Rudy Giuliani und der rechtsgerichteten "Proud Boys"- Gruppierung offen, die beim Sturm auf das Parlament federführend gewesen war.

    Als Trump-Anhänger das Kapitol stürmten, sagten Hutchison und andere Zeugen aus, dass Trump nicht versuchte, die Wogen zu glätten und die Gewalt zu stoppen. Vielmehr sei er in einen Streit mit seinem Sicherheitsteam geraten, weil dieses sich weigerte, ihn zum Kapitol zu fahren.

    Hutchison war es auch, die aussagte, dass Trump im Dezember sein Mittagessen gegen die Wand warf, weil sein Justizminister William Barr den Medien gesagt hatte, dass es keine Hinweise auf einen Wahlbetrug gebe.

    12. Juli, Hearing 7: "Proud Boys" und "Oath Keepers" sagten aus

    Hier stand ein Tweet im Mittelpunkt, den Trump Ende Dezember 2020 abgesetzt hatte: "Großer Protest am 6. Jänner. Seid dabei, es wird wild werden." Der Ausschuss ging der Frage nach, inwiefern Mitglieder von rechtsextremistischen Gruppen wie die "Proud Boys" und "Oath Keepers" dies als Aufruf zu den Waffen verstanden hatten. Der Ausschuss lud Zeugen beider Gruppen vor, die ebendies bestätigten: Sie hätten sich durch Trumps Worte veranlasst gefühlt, sich am 6. Jänner beim Kapitol bereitzumachen.

    22. Juli, Hearing 8: Trump sah drei Stunden lang zu

    Hier wurde vorgestellt, was Trump tat oder eben nicht tat, als seine Anhänger das Kapitol stürmten und versuchten, die Machtübergabe gewaltsam zu verhindern. Dabei zeigte sich: Trump hielt am 6. Jänner eine Rede vor seinen Anhängern, die um 13.10 Uhr endete. Im Anschluss strömten diese zum Kapitol und die Lage eskalierte. Von Trump aber war während gut drei Stunden lang nichts zu hören. Dann, um 16.17 Uhr, forderte er seine Anhänger auf Twitter widerwillig auf, nach Hause zu gehen. In der Zwischenzeit hatte es schon Tote gegeben.

    13. Oktober, Hearing 9: Trump focht Vorladung an

    Der Ausschuss stimmte einstimmig dafür, den ehemaligen Präsidenten unter Eid vorzuladen. Trump reichte eine Klage ein, um die Vorladung anzufechten. Am 14. November gab der Ausschuss bekannt, dass er dem Ersuchen um Dokumente und Zeugenaussagen nicht nachgekommen sei.