Ungarn und die EU – diese Beziehung kann man wohl kaum mehr retten. Seit 1. Juli hat Budapest turnusmäßig (wechselt alle sechs Monate) den Ratsvorsitz der EU inne – das nutzte der ungarische Premier Viktor Orban vor allem für die Umsetzung seiner politischen Agenda.
Innerhalb weniger Tage besuchte Orban im Rahmen seiner selbsternannten "Friedensmission" die Ukraine, Russland und China. Besonders die Moskau-Reise dürfte es dem Magyaren angetan haben – nach seinem Besuch bei Wladimir Putin schrieb er einen prorussisch angehauchten Brief an die EU, in dem er für einen sofortigen Frieden appellierte.
Ebendiese Reise sorgt in Brüssel für Unmut. In einem Brief an die EU-Spitze haben 63 EU-Abgeordnete einen Entzug des Stimmrechts Ungarns im Rat der EU gefordert.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass an künftigen informellen Ministertreffen keine EU-Kommissare, sondern nur ranghohe Beamte teilnehmen werden. Außerdem werde sie auf den traditionellen Antrittsbesuch bei der ungarischen Präsidentschaft verzichten, so ein Sprecher.
Am Dienstag äußerte sich Bundeskanzler Karl Nehammer zum Streit zwischen Brüssel und Budapest und präsentierte die rot-weiß-rote Position. "Orban hat einen Tabubruch begangen, über den man diskutieren muss", stellte er klar. Allerdings sollte man dies nicht mit einem weiteren Tabubruch, nämlich einem Boykott beantworten, erklärte der Kanzler.
„Man muss Orban mit seiner unabgestimmten Vorgangsweise konfrontieren, aber nicht die Ratspräsidentschaft boykottieren.“Bundeskanzler Karl Nehammerwill den knallharten Kurs von der Leyens nicht fahren
"Man muss Orban mit seiner unabgestimmten Vorgangsweise konfrontieren, aber nicht die Ratspräsidentschaft boykottieren“, so Nehammer. "Innerhalb der EU nicht mehr miteinander zu reden ist die schlechteste aller Lösungen", so der Bundeskanzler.
Die Position gelte für alle ÖVP-Ministerinnen und Minister – "sie werden daher auch weiterhin an Sitzungen und Treffen der EU-Ratspräsidentschaft teilnehmen“, kündigte Nehammer an. Auf Ebene der Fachminister gebe es viel zu tun, das erfordere kontinuierliche und professionelle Zusammenarbeit.
"Die EU-Kommission und die Ratspräsidentschaft sollten Konflikte im Gespräch klären, nicht über Boykott-Aufrufe. Dialog ist auf jeder politischen Ebene die wichtigste Voraussetzung für Fortschritt und gemeinsame Lösungen", so Nehammer abschließend.