Brisante Drittkandidatin
Jill Stein kostete einst Clinton den Sieg – nun Harris?
Im US-Wahlkampf fürchten die Demokraten eine Physikerin, Ärztin und Folk-Rock-Sängerin: Die Kandidatin der amerikanischen Grünen, Jill Stein (74).
Jill Stein ist für die US-Demokraten im Wahlkampf eben das: ein höchst ärgerlicher Stein im Schuh. Wieder einmal. Die 74-jährige Politikerin der US-Grünen tritt zum dritten Mal an. Sie hatte den Demokraten bereits bei den Wahlen 2016 in die Suppe gespuckt.
Damals holte sie zum Beispiel in Wisconsin gut 31.000 Stimmen, die letztlich der Demokratin Hillary Clinton fehlten: Trump gewann Wisconsin am Ende mit nur etwa 22.000 Stimmen Vorsprung. Auch in Pennsylvania und Michigan lag Steins Stimmzahl damals höher als der Vorsprung von Trump vor Clinton.
"Eine Stimme für Stein ist eine für Trump"
Im 2-Parteien-System der USA, in dem schon wenige Tausend Stimmen für eine Drittpartei Demokraten oder Republikanern gefährlich werden könnten, kann die studierte Physikerin Stein Kamala Harris auch 2024 echt Kopfschmerzen bereiten.
Die Demokraten haben die Gefahr erkannt: "Eine Stimme für Stein ist in Wahrheit eine Stimme für Trump", wiederholen sie im TV. "Jill Stein hat Trump ein Mal geholfen. Lassen Sie das nicht ein zweites Mal zu", fordern ihre Wahlplakate das Volk in Michigan auf.
Arab-Americans und Muslime
Michigan ist einer der Swing States, in denen Trump und Harris fast gleichauf liegen. Hier leben viele Arab-Americans – je nach Schätzung gibt es bis zu 300.000 arabischstämmige Menschen in Michigan –, die schon 2016 ein Herz für die Grünen-Präsidentschaftskandidatin zeigten.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Gaza und im Libanon hat sich die Sympathie für Stein stark erweitert: Viele Arab-Americans und Muslime in Michigan, die 2016 und 2020 demokratisch wählten, verzeihen den Demokraten den Nahost-Krieg mit den amerikanischen Waffen nicht. Sie sympathisieren nun mit Stein, die Israels Krieg im Gazastreifen als "Völkermord" an der palästinensischen Zivilbevölkerung brandmarkt.
"Schlag vor den Bug des Imperiums"
"Jede Stimme für unsere Kampagne ist ein Schlag vor den Bug des Imperiums", so die 74-jährige Ärztin und frühere Folk-Rock-Musikerin im Oktober an einer Wahlveranstaltung in Dearborn, Michigan. "Am Tag der Wahl würden wir den Hörer in die Hand nehmen und Bibi Netanjahu sagen, dass sein völkermörderischer Krieg vorbei ist."
Derlei kommt auch im entgegengesetzten Spektrum an. So musste Stein kürzlich eine Wahlempfehlung von Ku-Klux-Klan-Neonazi und Holocaustleugner David Duke zurückweisen, der sie für ihre harsche Kritik an Israel lobte.
Ein Prozent in Umfragen
Stein steht in fast 40 US-Bundesstaaten auf dem Wahlzettel. Sie spricht mit ihrem Wahlprogramm insbesondere progressive Wähler an, die sonst eher demokratisch wählen würden. "PeoplePeacePlanet" lautet ihr Motto, das vornehmlich bei Jungwählern, Studenten und Anhängern der linken Galionsfigur Bernie Sanders verfängt.
Stein will eine Erhöhung des Mindestlohns auf 25 Dollar und fordert die Streichung von Schulden für Studienkredite, vertritt Umweltschutz. In Umfragen liegt sie derzeit bei einem Prozent, ihrem Endergebnis von 2016.
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"Anmaßende" Demokraten?
Davon, dass sie Kamala Harris und den Demokraten erneut Stimmen abluchse, will Stein nichts wissen. "Es ist eine unglaubliche Anmaßung der Demokratischen Partei und der Harris-Kampagne, dass ihnen die Stimmen aus dem linken Lager und von jenen mit arabischem oder muslimischem Hintergrund gehören würden", sagt sie im Podcast "The Thinking Muslim". "Sie müssten sich die Stimmen verdienen, haben sie aber eindeutig nicht verdient."
Dem republikanischen Konkurrenten Donald Trump kann das alles egal sein. Er erklärte bereits im Juni, dass er Stein möge, da sie den Demokraten "zu 100 Prozent" Stimmen absauge.
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Auf den Punkt gebracht
- Die Kandidatur von Jill Stein, der 74-jährigen Politikerin der US-Grünen, sorgt erneut für Unruhe bei den Demokraten im US-Wahlkampf
- Stein, die bereits 2016 Hillary Clinton Stimmen kostete, könnte auch 2024 Kamala Harris gefährlich werden, da sie insbesondere progressive Wähler und Arab-Americans anspricht, die mit der Nahost-Politik der Demokraten unzufrieden sind