Eskalation droht
Irans Angriffsbefehl auf Israel sorgt für Rätselraten
Nach der gezielten Tötung des Hamas-Anführers in Teheran hat Irans oberster Führer wohl einen direkten Angriff auf Israel befohlen.
Nach der gezielten Tötung des Hamas-Anführers Ismail Hanija in Teheran soll Irans oberster Führer, Ayatollah Ali Chamenei, einen direkten Angriff auf Israel befohlen haben. Dies berichtet die "New York Times" und beruft sich auf drei iranische Beamte, darunter zwei Mitglieder der Revolutionsgarden, der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte. Diese Beamten sollen über den Befehl informiert worden sein, der bei einer Dringlichkeitssitzung des obersten nationalen Sicherheitsrates erteilt worden sein soll.
Der Iran macht Israel für die Tötung von Hanija verantwortlich. Dieser war in Teheran zu Besuch, um an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilzunehmen.
Was ist von diesem Befehl zu halten?
"Ob es sich tatsächlich um einen offiziellen Befehl oder um Rhetorik des obersten Führers handelt, ist noch unklar", sagt der Iran-Experte Walter Posch gegenüber "20 Minuten". Die "New York Times" sei zwar eine glaubwürdige Quelle, es sei jedoch ungewöhnlich, dass es keine offizielle Bestätigung aus dem Iran gebe und in iranischen Quellen nichts dazu zu finden sei.
Klar sei, dass Chamenei sich in einer Zwickmühle befinde, so Posch. "Bis jetzt gelang ihm das Kunststück, maximal zu provozieren, ohne eine amerikanische Reaktion hervorzurufen." So etwa, als der Iran im April als Reaktion auf einen mutmaßlich israelischen Luftangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus Drohnen nach Israel schickte.
"Sollten der Rhetorik von Chamenei ernsthafte Taten folgen, wäre der lran nicht mehr in der Lage, die Eskalation zu kontrollieren." Außerdem müsste der Führer mit einem energischen Eingreifen der USA rechnen, so Posch. "Lässt es Chamenei aber bei Rhetorik bleiben, verliert der Iran dermaßen an Prestige, dass seine Rolle als Regionalmacht hinterfragt wird." Dass der Iran die Tötung eines Hamas-Anführers auf iranischem Boden nicht verhindern könne, komme einer Demütigung gleich.
Kann Chamenei als Religionsführer einen solchen Befehl überhaupt erteilen?
"Im Gegensatz zum Khomeini, dem Gründer der Islamischen Republik, betont Chamenei nicht seine Rolle als oberster Religions- oder Rechtsgelehrter, sondern als Revolutionsführer", sagt Posch. In dieser Funktion sei er auch Oberbefehlshaber der gesamten iranischen Streit- und Sicherheitskräfte. Derartig gravierende Entscheidungen würden aber im obersten nationalen Sicherheitsrat, der vom Präsidenten des Irans geleitet werde, vorbereitet und diskutiert. "Dadurch sollen Schnellschüsse verhindert werden", so Posch. "Es gibt aber keine Anzeichen, dass der Präsident Peseschkian in dieser Frage Chamenei widersprechen würde."
Wie geht es nun weiter?
"Es ist klar, dass in den nächsten Tagen eine Reaktion des Irans kommen muss", so Posch. Chamenei stehe nun unter enormem Druck. "Ob es wirklich zu einer harten Antwort kommt, ist aber schwierig abzuschätzen." Es sei theoretisch möglich, dass die Verbündeten des Iran, wie etwa die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen, Raketen nach Israel schicken. Dass der Iran mit seiner Armee Israel angreife, sei hingegen unwahrscheinlich: "Dazu ist das veraltete Militär des Iran kaum imstande."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Der Iran hat möglicherweise einen direkten Angriff auf Israel angeordnet, nachdem der Hamas-Anführer Ismail Hanija in Teheran getötet wurde
- Es ist unklar, ob es sich um einen offiziellen Befehl handelt oder nur um Rhetorik des obersten Führers, aber der Iran steht unter Druck, eine Reaktion zu zeigen
- Es ist unwahrscheinlich, dass der Iran mit seiner Armee Israel angreift, aber möglicherweise könnten Verbündete wie die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen Raketen nach Israel schicken