Oberösterreich

Impfung? "Recht, über Körper selbst zu entscheiden"

Bei der Wahl am 26. September will die SPÖ mit Birgit Gerstorfer aufholen, vor der FPÖ landen. Teil 1 des großen Interviews.

Peter Reidinger
Teilen
SPOÖ-Chefin Birgit Gerstorfer spricht im <em>"Heute"</em>-Interview über Corona und die Wahl.
SPOÖ-Chefin Birgit Gerstorfer spricht im "Heute"-Interview über Corona und die Wahl.
fotokerschi.at

"Heute": Der Herbst kommt, die Corona-Zahlen steigen. Zu wenige in OÖ sind geimpft. Wie kann man gegensteuern?

Birgit Gerstorfer: Wir brauchen mehr Vertrauen in die Impfung durch Aufklärung. Da gibt es keine einheitliche Anlaufstelle in OÖ und es fehlt an Kreativität. Ein paar Impfbusse werden nicht reichen. Die Impfung muss zu den Menschen, nicht die Menschen zur Impfung.

"Heute":  Wären Impfzuckerl für Junge eine gute Idee?

Birgit Gerstorfer: Anreize sind nützlich, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichen.

"Heute“: Sollten Tests zahlungspflichtig werden?

Birgit Gerstorfer: Nein, es wird dann genug Menschen geben, die sich einfach nicht mehr testen lassen, weil das zu kostspielig ist, das geht für viele einfach nicht.

"Heute“: Aber die könnten sich ja gratis impfen lassen…

Birgit Gerstorfer: …aber man muss respektieren, dass die Menschen ein Recht haben, über ihren Körper selbst zu entscheiden. Das respektiere ich.

"Heute“: Aus diesem Grund sind Sie auch gegen eine generelle Impfpflicht?

Birgit Gerstorfer: Nicht nur deshalb. Ich bin sicher, dass wir im Pflege- und Gesundheitsbereich noch weniger Personal hätten, wenn eine Impfpflicht bestehen würde.

 "Heute“: Aber gerade in Pflegeberufen könnte man ja Patienten anstecken…

Birgit Gerstorfer: In den Pflegeheimen gibt es ein sehr sehr bescheidenes Infektionsaufkommen, weil viele genesen und geimpft sind. Wenn ein gewisser Anteil der Mitarbeiter sagt, für mich ist jetzt noch nicht der richtige Zeitpunkt für die Impfung und wenn dieser Anteil die regelmäßigen Testungen akzeptiert, dann kann man damit sehr gut arbeiten.

"Heute“: Unwetter, Klima sind in OÖ ein großes Thema. Auf den SPÖ-Plakaten findet man das Thema aber nicht…

Birgit Gerstorfer: Das haben auch die ÖVP und die FPÖ nicht plakatiert. Wir erkennen den Klimawandel an, es braucht viele Maßnahmen. Aber wir sehen den Klimawandel durch die soziale Brille, das ist eine soziale Frage: Die zehn Prozent der Reichsten produzieren knapp 50 Prozent des CO2-Ausstoßes. Überspitzt gesagt mit ihren Yachten und vielen Reisen. Die zehn Prozent mit den geringsten Einkommen produzieren nur 3 bis 5 Prozent des CO2-Ausstoßes. Wir sehen das Thema anders als die Grünen: Klimawandel, Klimawandel, Klimawandel und sonst nix.

"Heute“: Welche Maßnahmen wären da konkret denkbar?

Birgit Gerstorfer: Es muss nicht sein, dass man um weniger Geld als ein Zugticket kostet, in der Gegend herumfliegen kann. Man kann sich überlegen, wie Autos mit besonders hohen Ausstößen anders besteuert werden können. Das gilt auch z.B. für Flugreisen. Auch in der Industrie braucht man kluge Ideen.

"Heute“: Was soll sich im Bildungsbereich konkret ändern?

Birgit Gerstorfer: Wir fordern das „6 plus 3 Modell“ für die Schule. Das ist eine Art Verkürzung der Sommerferien auf freiwilliger Basis. Es geht darum, dass man in den letzten drei Wochen der Ferien einen Rechtsanspruch auf Sommerschule hat. Dadurch gäbe es viele Vorteile: für Schülerinnen und Schüler, für die Eltern, aber auch die Wirtschaft, weil berufstätige Eltern sonst Probleme in den Ferien haben.

Die SPOÖ-Chefin im Interview mit <em>"Heute"</em> vor dem Linzer Landhaus.
Die SPOÖ-Chefin im Interview mit "Heute" vor dem Linzer Landhaus.
fotokerschi.at

"Heute“: Unterrichten sollen da ja Lehrer freiwillig. Wie kann das funktionieren?

Birgit Gerstorfer: Wir schlagen da als Honorierung vor, dass sich diese Lehrer eine Woche zusätzlich Urlaub während der normalen Unterrichtszeit nehmen können. Viele Lehrer erzählen ja, dass sie sonst nie in der Vorsaison auf Urlaub fahren können.

"Heute“: Einen Rechtsanspruch fordern Sie auch bei der Kinderbetreuung. Wie konkret soll der aussehen?

Birgit Gerstorfer: Wie in vielen anderen Ländern. Die Gemeinde ist verantwortlich. Jene Gemeinden, die jetzt schon ein gutes Angebot haben, werden damit kein Problem haben. Nachziehen müssen jene, die nur Teilzeitöffnungszeiten haben und viel zu wenig Plätze. Wenn das Angebot da ist, wird es auch in Anspruch genommen.

"Heute“: Dieser Ausbau kostet Geld. Woher soll das kommen?

Birgit Gerstorfer: Es gibt genug Studien, die belegen, dass jeder Euro, der in die Kinderbetreuung investiert wird, mehrfach in die Volkswirtschaft zurückkommt. Weil Frauen berufstätig sein können, die Anzahl der Teilzeitstunden erhöht wird, sich neue Beschäftigungsfelder entwickeln.