Caritas hilft aus
In der Wärmestube trotz Wohnung: "Heizen ist zu teuer!"
Die Teuerungen treffen immer mehr Wiener, die Wärmestuben der Caritas sind stets gefüllt. Aber: Nicht nur Obdachlose nutzen das Angebot.
Um die Mittagszeit herrscht reges Treiben in der evangelisch-methodistischen Kirche in der Sechshauserstraße (Rudolfsheim Fünfhaus). Freiwillige der Caritas haben aufgekocht, Bedürftige suchen in der Wärmestube eine Auszeit vom schweren Alltag, warmes Essen und gute Gespräche.
"Lebe seit Juni ohne einen Cent"
"Ich bin heute das erste Mal hier, das Ambiente ist so gut. Alle Leute sind sozial und man fühlt sich wohl. Es ist besser als allein zu sein", erzählt der 34-jährige René, der aus gesundheitlichen Gründen in Frühpension ist und deshalb sparen muss.
Dominik (59), dessen linke Körperhälfte seit dem Säuglingsalter spastisch gelähmt ist, knüpft hier Kontakte: "Ein Freund hat gesagt, wenn mir langweilig ist kann ich hierher kommen. Ich bin gerne unter Leuten und kann mich hier gut unterhalten. Das Essen ist auch gut", sagt er.
Seit 2008 lebt Manfred notgedrungen auf der Straße. Der gebürtige Deutsche hat eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich, wuchs in der DDR auf. Hier lebt er laut eigenen Aussagen seit Juni ohne einen Cent: "Ich bekomme keine Mindestsicherung. Nur die Kirche hilft mir. Aber geht eine Tür zu, geht die andere auf", will er positiv bleiben. Sein größter Wunsch: "Dass die Kriege endlich beendet werden und wir wieder einen guten Planeten für unsere Kinder haben."
"Viele können kein warmes Essen zubereiten"
René, Dominik und Manfred sind keine Einzelfälle. Die Wärmestuben der Caritas sind gut gefüllt, das Angebot von immer mehr Menschen in Anspruch genommen. "Wir haben um einiges mehr an Gästen", bestätigt Organisatorin Jutta Dietl. Und noch etwas ist anders: "Immer mehr Menschen die zu uns kommen, haben eine Wohnung. Aber die ist kalt und sie können kein warmes Essen zubereiten, weil das Geld fehlt." Auch der Bedarf an Spenden sei wesentlich gestiegen, so die Expertin.
Gemeindepastor und Superintendent Stefan Schröckenfuchs kann dem nur zustimmen: "Für viele reicht es trotz Wohnung nicht mehr fürs Heizen und Essen." Die Sorgen und Probleme der Armutsbetroffenen seien jedoch in den elf Jahren, in denen es die Wärmestube nun schon gibt, die gleichen geblieben. "Es geht um Teilhabe am Leben und um Würde. Jeder hätte gerne ein Zuhause, in dem er so sein kann, wie er will." Etwa 140 Personen sind an den Öffnungstagen vor Ort, seit dem Krieg vermehrt auch Menschen aus der Ukraine.
"Heute ist der beste Tag seit gestern"
Die Obdachlosigkeit sei im Mittelstand angekommen – das sei für ein Land wie Österreich "mehr als beschämend", ärgert sich Dietl. "Es braucht mehr soziale Gerechtigkeit anstatt des Gießkannenprinzips", fordert sie. "Denn es wäre schön, wenn es uns nicht mehr brauchen würde." Sozialleistungen seien oft im Sinne eines "Gnadenaktes" und das Misstrauen groß, ergänzt Schröckenfuchs. Wichtig sei, Menschen zu allererst von der Straße zu holen.
Trotz aller Probleme gibt es immer wieder Momente, die Hoffnung geben, weiß der Gemeindepastor: "Ein Herr kommt regelmäßig und wenn wie ihn fragen, wie es ihm geht, sagt er immer 'sehr gut'. Sein Motto ist: Heute ist der beste Tag seit gestern. Da merkt man, wie wichtig die eigene Einstellung ist und wie viel man von den Menschen lernen kann."