Nicht lukrativ genug

Immer weniger Gegenmittel bei Schlangenbiss verfügbar

Rund 140.000 Menschen sterben jährlich an giftigen Schlangenbissen. Antiseren sind jedoch Mangelware. Sie sind zu wenig lukrativ für die Industrie.

Heute Life
Immer weniger Gegenmittel bei Schlangenbiss verfügbar
In Österreich ist nur eine Giftschlange heimisch: die Kreuzotter (Bild).
Getty Images

Wird man von einer Giftschlange gebissen, ist das ein absoluter Notfall. Der Betroffene braucht schnell ein Antiserum. Derer gibt es weltweit jedoch immer weniger. Die Herstellung wird nämlich gedrosselt. Der Grund: Der Markt ist nicht lukrativ genug. Davor warnte jetzt der deutsche Toxikologe Dietrich Mebs beim Kongress des deutschen Centrums für Reisemedizin (CRM).

Aufwändige Produktion

Was das Problem zusätzlich verschärft: Meist sind es ärmere oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die mit den Schlangen in Kontakt kommen gebissen werden. Umso geringer ist der Anreiz, Antiseren zu entwickeln und herzustellen. Zumal die Herstellung sehr aufwändig ist: Über Monate hinweg müssen große Säugetiere – meist Pferde, aber auch Schafe oder Rinder – mit steigenden Dosen des Schlangengiftes immunisiert werden. In ihrem Blutserum finden sich dann große Mengen von Antikörpern, die das Gift neutralisieren können. 

Bei einem Giftbiss hilft nur das richtige Antiserum! Das Gift wirkt auf Nerven, Muskeln und die Blutgerinnung. Deshalb ist sofort ein Arzt aufzusuchen.
Ein überstandener Schlangenbiss hat in der Regel keine bleibenden Folgen – abgesehen von möglichen Gewebeverlusten (durch abgestorbenes Gewebe) und eventuell einer Amputation. Die vollständige Genesung kann Wochen oder Monate dauern.

Weil die unterschiedlichen Schlangenarten auch unterschiedliche Gifte produzieren, muss für jedes Gift ein Serum entwickelt werden. "One fits all" geht hier leider nicht. "Selbst das Gift einer Kobra aus Afrika ist mit dem einer Kobra aus Indien oder China nicht vergleichbar", so Meba.

Erste Firma stellte Produktion ein

Zudem müssen die Seren in den betroffenen Gebieten lagernd gehalten werden – ebenfalls ein Kostenfaktor. "Hier haben billige, aber leider auch weitgehend unwirksame Produkte aus China und Indien den Markt erobert", berichtete der Toxikologe. Für das französische Unternehmen Sanofi-Pasteur habe sich die Herstellung des sehr wirksamen Antiserums Fav-Afrique, das gegen alle wichtigen Schlangengifte Subsahara-Afrikas gerichtet war, letztlich nicht mehr gelohnt. 2010 wurde die Produktion eingestellt. 

"Neglected Disease"

Bereits 2017 hat die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Vergiftungen durch Schlangenbisse zur "Neglected Disease" (vernachlässigte Krankheit; Übers.) erklärt. Für eine bessere Versorgung hat die Organisation Gelder in Millionenhöhe zur Verfügung gestellt. "Diese Mittel fließen jedoch zunächst in die Erforschung und Entwicklung von Antiseren", so Mebs. Aber mehr als Neuentwicklungen brauche es die Schließung der Finanzierungslücken, weil die Seren für viele Länder zu teuer sind. Bis dahin werden weiter Menschen an Schlangenbissen sterben oder es überleben – allerdings entstellt, weil ihnen eine Hand, ein Arm oder ein Bein amputiert werden musste.

Auf den Punkt gebracht

  • Jährlich sterben rund 140.000 Menschen an giftigen Schlangenbissen, doch die Verfügbarkeit von Antiseren nimmt ab, da sie für die Industrie nicht lukrativ genug sind
  • Die Herstellung ist aufwändig und teuer, und die Nachfrage wird hauptsächlich von ärmsten Bevölkerungsgruppen generiert, für die die Seren oft zu teuer sind
  • Die Situation wird durch das Eindringen billiger und unwirksamer Produkte aus China und Indien weiter verschärft
red
Akt.