VIDEO: Debatte eskaliert
"Ihr Pimmel": Minister rastet in Parlament komplett aus
In Polen steht ein großer Polit-Umbruch kurz bevor. Entsprechend angespannt ist die Stimmung im Parlament – am Dienstag fielen derbe Beleidigungen.
Nach acht Jahren Regierung bahnt sich ein Ende der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an der Macht an. Zwar beauftragte der polnische Präsident Andrzej Duda (Noch-)Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit der Regierungsbildung – doch dieser erhielt für seinen Vorschlag Gelächter.
Die PiS hat keine Partner, das bedeutet, dass das von Donald Tusk angeführte Oppositionsbündnis noch vier Wochen warten muss, um den Auftrag der Regierungsbildung zu erhalten. Da die Opposition aber eine Mehrheit im Parlament hat, gilt ein Machtwechsel als fix.
Rechtsstaatlichkeits-Debatte
Aus PiS-Kreisen heißt es offiziell, man gebe nicht auf und suche weiterhin nach Partnern für eine mögliche Regierung. Auftritte wie jener von Justizminister Zbigniew Ziobro, der sich in der Vergangenheit etwa mit einer Pistole in der Öffentlichkeit zeigte, zeugen jedoch von großer Nervosität. Am Dienstag trafen die neu gewählten Abgeordneten im Parlament zusammen, um über neue Mitglieder des Nationalen Justizrates zu debattieren.
Borys Budka, Vorsitzender der Bürgerplattform (PO), betonte in der Sitzung die Notwendigkeit, "den Nationalen Justizrat zur Rechtsstaatlichkeit zurückzubringen. Wir beginnen mit dem Prozess der Heilung des Nationalen Justizrates", kündigte Budka an. Er warf der PiS-Regierung vor, den Justizrat zerstört zu haben – dieser sei "zu einem Ort, an dem mittelmäßige, passive, aber der Regierung treue Menschen in ihrer juristischen Karriere weitere Stufen erklommen haben", geworden.
So soll Polens neue Regierung aussehen:
"Pimmel"-Sager regt auf
Nach seiner Rede kam Justizminister Ziobro aufs Podest – der neu gewählte Vorsitzende des polnischen Unterhauses, Szymon Holownia, erteilte ihm gemäß den Bestimmungen des Sejm als Minister das Wort. "Sehr geehrter Herr Borys Budka, ich möchte Sie daran erinnern, dass das Verfassungsgericht entscheidet, ob etwas mit der Verfassung vereinbar ist, und nicht Sie", sagte Ziobro. Außerdem warnte er seinen Kontrahenten, er solle sich nicht zu sicher fühlen, denn "die Zeit läuft schnell" und "auch ihr werdet auf der Oppositionsbank landen".
Im Saal herrschte große Aufruhr, Oppositionspolitiker riefen dem Justizminister zu, er werde im Gefängnis sitzen. Dieser verlor schließlich die Nerven und sagte: "Ich zähle auf euch. Ich hoffe, ihr erweist euch nicht als solche Pimmel wie zu Zeiten des Staatsgerichtshofs."
„Ich hoffe, ihr erweist euch nicht als solche Pimmel wie zu Zeiten des Staatsgerichtshofs!“
Ziobro verwies auf eine Situation im Jahr 2015, als eine Gruppe von Abgeordneten der Bürgerplattform einen Antrag einreichte, der den Justizminister vor den Staatsgerichtshof hätte bringen können. Für die Verabschiedung waren 276 Stimmen erforderlich, nur 271 Abgeordnete stimmten dafür. Brisant: Bei der Abstimmung fehlten acht Abgeordnete der Bürgerplattform, die den Ausgang hätten verändern können.
Abgeordnete zählen von 10 runter
Doch zurück zum Jahr 2023. Nach dem "Pimmel"-Sager drohte Sejm-Vorsitzender Holownia damit, die Sitzung zu unterbrechen. Er sagte zu Ziobro, er habe noch zehn Sekunden Redezeit, woraufhin die Oppositionsabgeordneten von Zehn runterzählten. Der Minister beendete seine Rede mit den Worten "wie sie die Verfassung fürchten" und einem verzweifelten Lacher.