"Lava in den Ohren"

Hyperakusis – jede Art von Geräusch ist für sie Folter

Karen Cook hat eine seltene Ohrenkrankheit, die alltägliche Geräusche zur Qual werden lässt. Von heute auf morgen änderte sich ihr Leben grundlegend.

Heute Life
Hyperakusis – jede Art von Geräusch ist für sie Folter
Karen Cook (Bild) trägt immer Kopfhörer. Anders ist ein Leben für sie unmöglich.
BBC

Seit 18 Monaten lebt Karen Cook aus Merseyside (Großbritannien) mit einer sich ständig verschlimmernden und seltenen Krankheit, bei der ihr alltägliche Geräusche lähmende Schmerzen bereiten. "Etwas so Schönes wie das Lachen meiner Kinder, ihre Stimmen zu hören, ist für mich wie eine Folter", sagte sie gegenüber BBC North West. Die 49-Jährige leidet an Schmerzhyperakusis, einer Erkrankung, die sie oft dazu zwingt, sich von ihrem Mann und ihren kleinen Söhnen abzukapseln. Das Problem: "Geräusche sind überall – sie sind wie Luft, man kann ihnen nicht entkommen", sagte Karen. Geräusche wie der Wind, der mit den Blättern in den Bäumen raschelt, oder der Verkehr, der an ihrem Haus vorbeifährt, können der Frau immense Schmerzen bereiten.

Ohren "ploppten" nach Flug nicht mehr auf

25 Jahre lang arbeitete sie als Flugbegleiterin. Nach einer Landung im Jahr 2022 bleibt ein anhaltender Druck in ihren Ohren, die nicht mehr "aufpoppten", wie es nach einem Flug eigentlich sein sollte. Schon bald trat bei jedem Hintergrundgeräusch, wie Wind, Musik oder Fernsehen, ein Klingeln in den Ohren auf (Tinnitus). Und je lauter es wurde, desto stärker wurden die brennenden Schmerzen. "In der Stille war es kaum wahrnehmbar, aber dann wurde es immer schlimmer." Ihr Zustand verschlechterte sich rapide, sodass sie schließlich ein Jahr lang ans Haus gefesselt war und später ihren Beruf aufgeben musste. Sie probierte verschiedene Schmerzmedikamente und ganzheitliche Therapien aus, aber ohne Erfolg. Der Zustand ist so schwerwiegend, dass sie zu Weihnachten in einem anderen Zimmer sitzen und zusehen musste, wie ihre beiden Kinder ihre Geschenke auspackten.

Hyperakusis ist eine krankhafte Geräuschüberempfindlichkeit. Betroffene empfinden jede Form von Schall als unangenehm laut, mitunter schmerzhaft. Die Erkrankung kann sich in ihrem Schweregrad unterscheiden.  Reagiert eine Person allerdings nur überempfindlich auf bestimmte Geräusche, leidet sie unter Misophonie. In Abgrenzung dazu ist Tinnitus die Bezeichnung für das Hören von Geräuschen, die nicht von einer äußeren Quelle kommen.
Da die Erkrankung meist auf einer irreversiblen organischen Schädigung des Mittel- oder Innenohrs beruht, gibt es keine ursächliche Therapie.

"Lava in den Ohren"

Karen trägt jetzt Ohrstöpsel und Kopfhörer – auch wenn sie allein zu Hause ist. Ihre einzige Möglichkeit, sich zu verständigen, ist das Flüstern oder mittels schriftlicher Notizen: "Mein Haus ist ein Gefängnis", sagt sie. "Geräusche halten mich in Geiselhaft", beschreibt Karen den Schmerz: "Es ist, als hätte mir jemand brennende Lava in die Ohren geschüttet und mein Kopf brennt, ich habe Schmerzen am ganzen Kopf, besonders hinter den Augen. Es ist wie eine Art Migräne. Als ob man sich den Kopf aufschlitzen möchte, um den Druck zu lindern."

Von einem Tag auf den anderen

Bei der Frage, welche Auswirkungen die Krankheit auf ihr Leben hat, kommen ihr die Tränen: "Ich vermisse es, eine Mutter zu sein, ich vermisse den Lärm, wenn meine Kinder von der Schule kommen, ich vermisse einfach das Leben." Karen vermisst so viele Dinge im Leben, die für die meisten Menschen selbstverständlich sind: "Ich vermisse es, Musik zu hören, fernzusehen oder einen Film mit Ton anzuschauen oder mit meinen Freunden zu telefonieren", erklärte sie. "Ich vermisse es, schöne Kleider zu tragen und mich zu schminken, mit meinem Mann auszugehen."

Vor der Erkrankung sei Karen sehr aktiv gewesen und habe es geliebt, Camping- und Skiurlaube zu machen. "Ich war immer unterwegs", sagte sie. "Mein Leben hat buchstäblich von heute auf morgen aufgehört." Vieles in ihrem Leben hat sich aufgrund der Krankheit bis zur Unkenntlichkeit verändert. "Jeder Tag ist gleich. Ehrlich gesagt, wenn ich keine Kinder hätte, hätte ich aufgegeben. Aber wir werden versuchen, zu kämpfen und jemanden zu finden, der vielleicht helfen kann."

red
Akt.