Türkei
Hunde-Horror: Jagen Zivilisten wehrlose Streuner?
Tausende Menschen demonstrieren gegen das neue Straßentiergesetz in der Türkei, gleichzeitig kursieren Videos von toten Tieren.
Ende Juli wurde in der Türkei ein neues Gesetz verabschiedet, das für Millionen Straßenhunde den Tod bedeuten könnte: Kommunen müssen streunende Tiere von der Straße holen und in Tierheimen unterbringen. Sie sollen, wenn möglich, vermittelt werden. Kranke oder aggressive Hunde dürfen sofort getötet werden.
In der Praxis befürchten viele Tierschützer, dass auch gesunden Hunden durch das neue Gesetz der sichere Tod droht: Denn in der Türkei leben schätzungsweise vier Millionen Straßenhunde, es gibt aber nur rund 100.000 Plätze in Tierheimen.
Babette Terveer von der spendenfinanzierten Tierschutzorganisation Notpfote Düsseldorf kennt die Lage vor Ort: "Die Tierheime sind mit denen in Deutschland oder der Schweiz nicht zu vergleichen. Das Leben auf der Straße ist für sie oft besser als das in den Einrichtungen. Die Hunde werden dort regelrecht ihrem Schicksal überlassen."
Hunde werden in Massengräbern verscharrt
Gleichzeitig kursieren schon jetzt zahlreiche Videos im Netz, die getötete und blutüberströmte Tiere zeigen, teils aufeinandergestapelt, teils verscharrt. Türkische Medien berichten von Massengräbern in den Provinzen Ankara-Altındağ und Niğde. Laut dem türkischen Newsportal Medyascope.tv werden die Hunde aktuell einer Autopsie unterzogen, um die definitive Todesursache zu klären.
Tierschützerin Terveer hat viele dieser Videos selbst zugespielt bekommen. "Das ist erschütternd und ich muss sagen: Das Ganze nimmt mich emotional extrem mit, ich bin am Rande meiner Kräfte."
Dennoch ist ihr wichtig zu betonen: "Die Türken sind ein extrem tierfreundliches Volk, wenn nicht sogar das tierfreundlichste in Europa. Für viele gehören Straßenhunde zur Familie." In einem Video ist zu sehen, wie eine Frau einen Streuner fest im Arm hält, um ihn zu beschützen. Derzeit würden sich Tierschützer und Tierhasser verfeindet gegenüberstehen, so Terveer. "Es sind bürgerkriegsähnliche Zustände."
Opposition bereitet Verfassungsklage vor
Diese Tierfreundlichkeit zeigt sich auch in Form der Demonstrationen, die derzeit zum Beispiel in der Metropole Istanbul stattfinden. Zahlreiche Türkinnen und Türken gehen auf die Straße, um sich für die Straßenhunde einzusetzen und gegen das neue Gesetz zu demonstrieren. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2023 befürworten nur drei Prozent der Türken das Töten der Tiere.
Auch auf politischer Ebene formiert sich Protest gegen das Gesetz: Der Oppositionsführer der Partei CHP, Özgür Özel, kündigte an, vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Er erklärte zudem, dass die Kommunen, die von seiner Partei geführt werden, das Gesetz nicht umsetzen werden. Die CHP hatte bei den Kommunalwahlen Ende März die meisten Bürgermeisterposten im Land gewonnen.
„Die Türken sind eigentlich das tierfreundlichste Volk in Europa.“
Terveer von der Notpfote versucht derweil, so viele Hunde wie möglich nach Deutschland zu bringen: "Vorher war das nie notwendig. Wir haben die Tiere kastriert und guten Gewissens in die Freiheit entlassen, denn wir wussten: Die Mehrheit der Menschen wird ihnen nichts tun." Nach den Ereignissen der letzten Wochen ist sie sich dessen nicht mehr sicher.
Auf den Punkt gebracht
- In der Türkei wurde Ende Juli ein neues Straßentiergesetz verabschiedet
- Für Millionen Tiere könnte es den Tod bedeuten
- Nicht nur Tierschützer, sondern auch viele Türken gehen deswegen auf die Straße
- Gleichzeitig zeigen Videos, wie zahlreiche Hunde von Zivilisten grausam getötet und verscharrt werden