Erstmals in der deutschen Geschichte ist eine als rechtsextremistisch eingestufte Partei stärkste Kraft bei einer Landtagswahl geworden. In Thüringen kam die von Björn Höcke geführte AfD bei der Wahl am Sonntag laut Hochrechnungen mit bis 33,1 Prozent auf den ersten Platz (Stand Sonntag 19.30 Uhr).
"Wir sind bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen", sagte Höcke angesichts der Zahlen. Schafft er das aber? Das ist bisher noch unklar – bislang will keine der anderen vertretenen Parteien mit der AfD koalieren. Eine zentrale Rolle als Mehrheitsbeschaffer wird deshalb dem erst im März gegründeten BSW zukommen.
Höcke kritisierte am Abend "das dämliche Brandmauergerede", mit dem andere Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD bislang ausschließen, und fügte hinzu: "Wir sind die Volkspartei Nummer eins in Thüringen."
Wer ist die umstrittene Schlüsselfigur, die für die einen ein Hoffnungsträger und die anderen eine große Gefahr für Deutschland darstellt? Höcke fällt immer wieder mit seiner radikalen und rechtsextremen Rhetorik auf. Ob es um die Relativierung der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands geht oder das Verwenden von unerlaubten Naziparolen – er scheut keine Kontroverse. "Das Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird", sagte er etwa dem "Wall Street Journal".
Höcke provoziert, spaltet und sucht die große Bühne – selbst vor Gericht, wo er unlängst wegen der Verwendung einer NS-Parole zweifach verurteilt wurde. "Machen Sie mich zum Ministerpräsidenten", forderte Höcke Anfang Juli in einem Video auf seinem X-Kanal. Da hatte ihn das Landgericht Halle gerade zum zweiten Mal wegen der Verwendung einer verbotenen Parole der nationalsozialistischen SA zu einer – noch nicht rechtskräftigen – Geldstrafe verurteilt.
Doch selbst innerhalb seiner eigenen Partei wird der 52-Jährige kritisiert. Während der gemäßigtere Flügel der Partei versucht, die AfD als bürgerliche Alternative zu etablieren, steht Höcke in der Partei für den Rechtsruck, den die AfD in den letzten Jahren durchgemacht hat.
Immer wieder überschreitet Höcke die Grenze des Sagbaren, wettert gegen einen angeblichen "Volkstod durch Bevölkerungsaustausch" oder spricht in Anspielung auf das Berliner Holocaustmahnmal von einem "Denkmal der Schande". Trotz dieser vielfach dokumentierten verbalen Ausfälle warf Höcke seinem Interviewer in der ARD am Wahlabend vor, ihn mit Hinweis auf die rechtsextremistische Haltung "stigmatisieren" zu wollen.
Der Thüringer Verfassungsschutz stufte den AfD-Landesverband 2021 als gesichert rechtsextrem ein und beobachtet die Partei. Das hindert Höcke nicht daran, von einer Regierungsübernahme zu träumen. Im Fall der Machtübernahme will er unter anderem die Befugnisse des Verfassungsschutzes beschneiden, Gelder für Initiativen gegen Rechtsextremismus streichen, den Rundfunkstaatsvertrag aufkündigen und die Medienlandschaft umkrempeln.