Vor einem Jahr registrierten Seismometer vom Nord- bis Südpol ein sehr mysteriöses Signal, das man in der Erdbebenforschung nie zuvor bemerkt hatte: eine seismische Welle mit nur einer einzigen Frequenz, ähnlich einem monotonen Summen, die tagelang anhielt.
Für Wissenschaftler rund um den Globus war klar: Diese Schwingung konnte nicht von einem "normalen" Erdbeben stammen – aber woher dann?
Um dieses Rätsel zu lösen, versammelte der Seismologe Stephen Hicks vom University College London ein riesiges Team von 70 Forschern aus 40 Institutionen in 15 Ländern. Ihre Untersuchungs-Ergebnisse sind nun im Fachblatt Science nachzulesen.
Als die Forscher das mysteriöse Signal erstmals entdeckten, tauften sie es "USO" – unbekanntes seismisches Objekt. Zur selben Zeit gab es Nachrichten, dass sich in einem entlegenen Fjord im Nordosten Grönlands ein großer Tsunami ereignet habe.
Ein 1.000 Meter hoher Berggipfel war abgebrochen und in den Dickson-Fjord gestürzt, wie Aufnahmen des dänischen Militärs zeigten. Auch eine 70 Kilometer entfernte Forschungsstation wurde durch den Tsunami zerstört.
„Als wir uns auf dieses Abenteuer begaben, hatte niemand die leiseste Ahnung, was dieses Signal verursacht hatte.“Kristian SvennevigGeologischen Dienst Dänemarks und Grönlands
Der Ausgang des Forschungsprojekts war ungewiss: "Als wir uns auf dieses wissenschaftliche Abenteuer begaben, hatte niemand die leiseste Ahnung, was dieses Signal verursacht hatte. Wir wussten nur, dass es mit diesem Erdrutsch zusammenhing", so Kristian Svennevig vom Geologischen Dienst Dänemarks und Grönlands.
Vermutlich habe der – infolge der Erderwärmung immer dünner werdende – Gletscher am Fuß des Berges die darüberliegende Felswand nicht mehr tragen können. Dieser Erdrutsch verursachte demnach einen Mega-Tsunami mit einer 200 Meter hohen Welle, doppelt so hoch wie Big Ben in London.
Diese Mega-Welle war dann in dem engen Fjord "gefangen" und bewegte sich neun Tage lang hin und her, wodurch die Vibrationen entstanden. Dieser Rhythmus entsprach exakt dem Signal, das sich nach dem Bergsturz in der Erdkruste ausbreitete und rund um den Globus aufgezeichnet wurde.
Wissenschaftler schätzen, dass bei diesem Erdrutsch 25 Millionen Kubikmeter Gestein und Eis in den Fjord stürzten – das entspricht der Füllmenge von 10.000 Wettkampfschwimmbecken. Diese gigantischen Brocken lösten einen der größten Tsunamis der jüngeren Geschichte aus.