Wien
Hitzeinsel Naschmarkt: Stadt sucht EU-weit Konzepte
Im April 2021 befragte die Stadt die Bürger zu ihren Wünschen für den Naschmarkt. Darauf aufbauend folgt nun ein europaweiter Ideenwettbewerb.
Im Oktober 2020 sorgte ein Vorschlag von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) zur Neugestaltung des Parkplatzes beim Naschmarkt (Mariahilf) für Aufsehen. Sie dachte laut über eine Markthalle nach Vorbild des Londoner Borough Market nach. Zudem sollten eine rund 10.000 Quadratmeter große Fläche begrünt und gekühlt werden.
Die Pläne sorgten prompt für Aufschreie bei Anrainern und Marktstandlern, wir haben berichtet. Die Stadt startete daraufhin ein Bürgerbeteiligungsverfahren. Sima sprach zu dieser Zeit nicht mehr explizit von einer Markthalle, in der Webadresse der Umfrage-Seite markthalle.wienwirdwow.at war diese aber sehr wohl noch präsent.
Bürgerbeteiligung abgeschlossen, nun folgt neuer Zwischenschritt
Mittlerweile wurde die Befragung der Bürger abgeschlossen, den Plan, wie es nun weitergeht, stellten Sima und der Mariahilfer Bezirksvorsteher Markus Rumelhart (SPÖ) heute, Montag, vor.
Statt direkt in die Umsetzung der Neugestaltung des Naschmarktparkplatzes - laut Sima einer der größten innerstädtischen Hitzeinseln - zu gehen, zieht die Stadt einen Zwischenschritt ein. Dieser sieht vor, auf Basis des Bürgerwünsche ein sogenanntes "kooperatives Verfahren" auszuschreiben, um europaweit die besten Konzepte zur Umsetzung der inhaltlichen Vorgaben aus dem Bürgerbeteiligungsverfahren zu finden.
Bei der Befragung hätten über 5.000 Menschen mitgemacht, so Sima. Deren Anliegen teile die Stadt "vollkommen" und arbeite daran, die 12.000 Quadratmeter große Asphaltwüste aufzubrechen, abzukühlen und zu begrünen. "Wir legen heute bewusst keine konkreten Pläne vor, sondern ziehen mit dem Ideenwettbewerb noch einen Zwischenschritt ein, um die Vorgaben aus der Bürger*innen-Beteiligung umzusetzen, sie also mit Leben zu erfüllen. Mir ist wichtig, gemeinsam mit den Bürger*innen aus der leblosen Hitzeinsel einen lebendigen Grätzltreffpunkt für alle zu schaffen", stellt Sima fest.
Maximal begrünte, konsumfreie Zone zwischen den Wienzeilen
"Das Areal zwischen den beiden Wienzeilen ist für die Menschen und für ihre Lebensqualität eine riesige Ressource mitten in Wien. Wir wollen diese Fläche maximal begrünen, den Flohmarkt erhalten und konsumfreie Räume schaffen. Viele Kreative werden uns mit Sicherheit interessante Ideen und Vorstellungen liefern", freut sich der Bezirkschef auf den kooperativen Prozess.
Lokaler Markt statt Markthalle?
Von einer Markthalle, wie sie ursprünglich im Gespräch war, wollte bei der Präsentation der nächsten Schritte niemand mehr reden. Stattdessen wurde erklärt, dass neben den umfassenden Begrünungsmaßnahmen, Platz für den Flohmarkt und konsumfreien Räumen am heutigen Parkplatz auch ein attraktiver Ort geschaffen werden soll, an dem lokale Lebensmittel-Produzenten ihre biologischen und regionalen Produkte anbieten können.
Das konkrete Nutzungskonzept des Platzes werde im Rahmen des kooperativen Verfahrens inklusive Ideenwettbewerb erarbeitet. Erst danach könne man über notwendige Infrastruktur, wie Witterungsschutz oder Beschattungselemente entscheiden, hieß es.
Bürger wünschen sich vor allem Begrünung und Kühlung
Im Rahmen des im April 2021 gestarteten Beteiligungsprozess wurden unterschiedliche Themen zur Neugestaltung abgefragt: Von Begrünung und Wasser-Elementen, über Anforderungen an einen regionalen Markt bis hin zu kulturellem Angebot, dem Flohmarkt, Raum für Bewegung oder natürlicher und baulicher Beschattung, etwa mit Solarpaneelen. Insgesamt haben sich laut Stadt 5.169 interessierte Personen aus ganz Wien mit knapp 30.000 Vorschlägen mit ihrem Feedback beteiligt.
- Die überwiegende Mehrheit spricht sich für eine klimabewusste Umgestaltung des Platzes aus und wünscht sich Raum für den konsumfreien Aufenthalt, Begrünung, Wasserelemente und Schatten.
- Die Architektur des Platzes soll sich respektvoll in die umliegenden historischen Bauwerke einfügen, der Flohmarkt soll erhalten bleiben.
- Einem generellen (Floh-)-Markt-Angebot und überdachten Bereichen stehen viele Teilnehmer der Befragung offen gegenüber, sofern folgende Bedingungen eingehalten werden: Maximale Begrünung des Areals, ausreichend konsumfreie Zonen und ein qualitativ hochwertiges Angebot aus regionalen und Bio-Lebensmitteln, das sich vom bestehenden Angebot am Naschmarkt unterscheidet.
30.000 Anmerkungen zeigten auch Widersprüche
Bei den insgesamt 30.000 Anmerkungen herrschte aber nicht überall Einigkeit. In vielen Bereichen waren die Anforderungen der Bürger deutlich diverser und standen teilweise auch im Widerspruch zueinander. So wünschen sich einige eine komplette Begrünung des Platzes, andere wollen die Parkplätze oder den Flohmarkt – und damit eine große versiegelte Fläche – erhalten. Viele wünschen sich ein regionales Produktsortiment, andere wollen lieber Spielplätze, Sport- oder Kulturangebot.
EU-weit Ideenwettbewerb soll im Herbst abgeschlossen sein
Aufgrund der vielen unterschiedlichen Vorstellungen will die Stadt Wien nun im Zuge eines "kooperativen Prozesses" auf Basis des Bürgerbeteiligungsverfahren die besten Konzepte für die Umgestaltung des Platzes suchen. Dazu soll zeitnah ein EU-weiter Ideenwettbewerb:
Bewerbungen dafür können in drei "Töpfen" eingereicht werden: Planungsteams können Referenzprojekte einreichen, mit skizzenhaft dargestellten Ideen zur Gestaltung können sich alle Menschen – auch ohne konkretes Fachwissen – bewerben und konkrete Nutzungskonzepte – also welche Angebote der Platz umfassen soll – können textlich oder grafisch eingereicht werden.
Eine Jury aus unabhängigen Experten sichtet die Einreichungen und wählt die besten Konzepte aus. Im Rahmen einer öffentlichen Ausstellung können die Bürger diese Sammlung der Ideen dann bewerten. Nach Abschluss des kooperativen Verfahrens im Herbst 2022 startet der Realisierungswettbewerb, so dass im 1. Quartal 2023 das Siegerprojekt vorliegt.
Der Ideenwettbewerb ist ergebnisoffen, unterliegt allerdings einigen Rahmenbedingungen. Basis sind neben den Ergebnissen aus der Bürgerbeteiligung auch die technischen und statischen Rahmenbedingungen, wie Überplattungen, aber auch klimatologische Grundlagen. Zu den Kernbestandteilen des Konzepte müssen etwa begrünte und konsumfreie Aufenthaltsflächen, der wöchentlich stattfindende Samstags-Flohmarkt sowie neue Baumpflanzungen zählen.