Wien
Hilferuf: "13-Jährige traut sich nicht mehr raus"
Nach dem rechtsextremen Angriff auf das Ute-Bock-Haus sucht der Verein nach Personen, die bei der psychologischen Betreuung helfen können.
Man stelle sich vor, es ist Krieg. Keine 500 Kilometer von Wien entfernt gehen Bomben und Raketen nieder, fahren Panzer durch die Straßen, schießen Wohnungen in Schutt und Asche, töten tausende Zivilisten und verüben widerwärtigste Gräueltaten. Nur die Slowakei liegt zwischen dort und hier, Frauen und Kinder flüchten auch nach Wien, Männer bleiben zum Kämpfen zurück.
Nach dem Ankunftszentrum und der Registrierung ist für viele Ankömmlinge die erste Adresse eine Unterkunft und Betreuungseinrichtung wie das Ute-Bock-Haus. In Wien-Favoriten finden rund 90 Menschen einen sicheren Ort um anzukommen. Zumindest war das bisher der Fall.
Rechtsextreme stürmen Gebäude
Denn Sonntagfrüh stürmten 20 vermummte Rechtsextreme das Gebäude, zündeten Pyrotechnik am Dach, entrollten ein riesiges Banner, versperrten den Eingang und warfen hunderte Flugzettel an den Fenstern vorbei. Als die Polizei eintraf, ergriffen alle 20 erfolgreich die Flucht. Auf Messenger-Diensten bitten sie nun Spenden.
Die Welle der Entrüstung war enorm. Neben Innenminister Gerhard Karner und Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr platzte insbesondere Sozialstadtrat Peter Hacker regelrecht der Kragen. Europa erlebe derzeit einen blutigen Angriffskrieg mit tausenden Opfern und Millionen Vertriebenen. "Und bei uns haben rechtsextreme Wirrköpfe nichts Besseres zu tun, als traumatisierte Vertriebene aus der Ukraine zusätzlich zu verängstigen und zu bedrohen. Das ist unmenschlich, geschmacklos, widerwärtig und völlig inakzeptabel", wettert Hacker.
Bewohner trauen sich nicht mehr aus Zimmer
Der Angriff hat offenbar schwere Spuren bei den teils traumatisierten Geflüchteten, einige davon frisch aus der Ukraine angekommen, hinterlassen. "Die Kinder im Haus haben geweint, niemand traute sich heraus", schildert der Verein Ute Bock das Geschehene auf Twitter. Trotzdem bleibe man stark und will weiter ein sicherer Ort für Menschen auf der Flucht sein.
„"Die Kinder im Haus haben geweint, niemand traute sich heraus."“
Um das gewährleisten zu können, sucht man nun via Twitter dringend nach Psycholog:innen "zur Aufarbeitung der fremdenfeindlichen Aktion". Die Folgen des Angriffs zeigen sich etwa darin, dass die Kinder einer Familie aus Angst nicht mehr zurück ins Haus möchten. "Eine 13-Jährige traut sich nicht mehr aus ihrem Zimmer", berichtet der Verein weiter.
Psychologische Unterstützung gesucht
Der Angriff sei eine furchtbare Schande gewesen. Jetzt gelte es, Sicherheit zu geben, stark zu bleiben und zu helfen, wo Hilfe gebraucht wird. Leider habe man im Bereich der psychologischen Unterstützung und des Beistands nach einer Aktion wie dieser aber keine Ressourcen im Haus.
Der Bedarf dafür sei jedoch riesig. "Habt ihr eine psychologische Ausbildung und wollt uns ehrenamtlich unterstützen?", fragt der Verein seine Follower. "Am besten schon ab morgen – Meldet euch bitte bei uns: [email protected]"