Premiere für "Die Verwandlung"
Hat das Akademietheater ein echtes Ungezieferproblem?
Das wahrscheinlich bekannteste Werk von Franz Kafka erstrahlt jetzt im Wiener Akademietheater so bunt und tatsächlich auch so lustig wie noch nie.
Alleine schon der erste Satz von "Die Verwandlung" von Franz Kafka (1883-1924) zementiert das Szenario der ikonischen Parabel fest in die Köpfe seiner Leser: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." Ab diesem Zeitpunkt dreht sich die nur 70 Seiten umfassende Erzählung von 1915 darum, wie Gregor Samsa und seine Umgebung auf diese markante Veränderung reagieren. "Es ist wunderschön, dass man sich jetzt wieder Zeit für Kafka nimmt, gerade zu seinem Todesjahr", meint Dorothee Hartinger, die in der neuen Inszenierung am Akademietheater (Premiere am 20. Jänner) die Mutter von Gregor Samsa spielt, "Ich habe es genossen mich wieder mit seinem Werk zu beschäftigen, das ich mit 20 Jahren zum ersten Mal gelesen habe."
Die Erzählung und praktisch alle Bühnen- und Filmversionen von "Die Verwandlung" zeichnen sich durch eine immer schlimmer werdende Hoffnungslosigkeit aus, je weiter sich Samsa körperlich und dann auch von seinem Verhalten her in ein gigantisches Insekt verwandelt. "Beim Namen Kafka hat man bestimmte Ästhetiken im Kopf", meint Hartinger und meint damit Eindrücke wie leere, graue und düstere Bürogebäude, "dass wir bei unserer Produktion im Gegensatz dazu etwas Neues wagen, gefällt mir sehr gut." Neu ist hier alleine die Farbgebung, denn dieser Kafka ist überraschend knallig und bunt. "Die Verwandlung“ zeigen wir als etwas Utopisches und nutzen dabei auch viel Humor", lacht Hartinger.
„Und dann hat man den Eindruck, dann kreist es darum, dass das Tier stirbt…“
Regisseurin Lucia Bihler konzentriert sich bei ihrem Zugang von "Die Verwandlung" auf die vier Kernfiguren aus Kafkas Erzählung - also auf Samsa, seine Eltern und seine Schwester - und lässt die anderen Figuren, die stellvertretend für die Außenwelt stehen aus ihrer Inszenierung raus. "In der Inszenierung funktionieren wir stark als Familiengruppe gegenüber dem verwandelten Tier, wir stehen für die Außenwelt", erklärt Hartinger." Die bunte Optik des Bühnenbildes von Pia Maria Mackert und die fantastischen Kostüme von Victoria Behr sind bei dieser Version von "Die Verwandlung" essentiell für den Erfolg, denn inhaltlich ist das Werk "nicht besonders handlungsstark", wie es Dorothee Hartinger formuliert, "Am Anfang der Geschichte steht die Verwandlung von Gregor Samsa und infolge kreist alles darum, was diese Verwandlung bedeuten könnte, für ihn selbst, für sein Umfeld. Und am Ende geht es darum, dass das Tier stirbt und wir haben dafür starke theatrale Assoziationen und Bilder gefunden."
Die Themen und Inhalte von "Die Verwandlung" haben sich seit dem Tod von Franz Kafka vor genau hundert Jahren nicht geändert. Es geht um das anders sein, Vereinsamung und das Ausgestoßen werden aus der Gesellschaft. Einen wesentlichen Unterschied zwischen dem ursprünglichen Werk und der möglichen heutigen Deutung gibt es aber schon: Denn damals stand das Insekt im Stück für eine ungewollte und schmutzige Bedrohung, etwas Fremdartiges, das man nicht haben möchte. Diese Assoziation funktioniert zwar jetzt auch weiter, obwohl sich die Sicht der Menschen auf Insekten radikal geändert hat. Für die Premiere und die weiteren Vorstellungen von "Die Verwandlung" gibt es hier noch ausreichend Karten!