Wirtschaft

Handel tobt: "Für Ungeimpfte gibt es keine Geschenke"

Der Handel nimmt den Lockdown für Ungeimpfte in Österreich zur Kenntnis, erwartet aber Umsatzverluste von bis zu 350 Millionen Euro pro Woche.

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Ungeimpfte dürfen ab Montag nicht mehr im Non-Food-Handel einkaufen.
Ungeimpfte dürfen ab Montag nicht mehr im Non-Food-Handel einkaufen.
Tobias Steinmaurer / picturedesk.com (Symbolbild)

Der österreichische Handel nimmt den heute beschlossenen "Lockdown für Ungeimpfte ab 12 Jahren" zur Kenntnis, bezweifelt jedoch die Wirkung der neuen Restriktionen im Handel. Ab Montag dürfen Menschen ohne Corona-Impfung oder Genesungsnachweis nur noch in Ausnahmefällen ihr Haus oder ihre Wohnung verlassen und selbst mit einem negativen PCR-Test nicht mehr im nicht-lebensnotwendigen Handel einkaufen. Die allgemeine FFP2-Maskenpflicht im Handel und in Einkaufszentren bleibt für alle Kunden aufrecht.

Verständnis für Notmaßnahmen

Der Handel hat die Gesundheit der Bevölkerung stets an höchste Stelle gestellt und im Sommer eine eigene Impfkampagne "WIR HANDELN GEMEINSAM. WIR IMPFEN GEMEINSAM." gestartet, um die Durchimpfungsrate in Österreich möglichst rasch zu steigern. Allerdings nicht mit Zwang, sondern mit Positivanreizen wie Impfgutscheinen oder Lotterien. Letztere wurden vom Handelsverband bereits im Juni 2021 empfohlen, jedoch leider seitens der Regierung vom Tisch gewischt.

Die Regierung könnte sich jedoch auch für ein "sowohl als auch" entscheiden, da negative Anreize vielleicht kurzfristig wirken, aber auch Zuversicht und Stimmung in der Gesellschaft trüben. Nun muss die Handelsbranche wieder herhalten und wird mehr als Hebel für negative Anreize herangezogen, anstatt eine tatsächliche Wirkung zu entfalten. Ganz nach dem Motto "Für Ungeimpfte gibt es keine Weihnachtsgeschenke".

Hierbei wird übersehen, wie stark der volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Kollateralschaden sein kann. Die Kaufkraft großer Teile der Bevölkerung wird in der wichtigsten Zeit des Jahres für den Handel hin zu digitalen Giganten verschoben. Die begleitende Verunsicherung kann dies nochmals erheblich verstärken, wodurch die Arbeitsplatzsicherheit in vielen Formaten nicht mehr gewährleistet ist. Darüber hinaus stehen die doppelten Gehälter an, während gleichzeitig für viele ein Drittel der Umsätze im Weihnachtsgeschäft wegfällt.

Hohe Kollateralschäden

Da die Infektionszahlen zuletzt besorgniserregend angestiegen sind, hat die Branche Verständnis für strengere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Allerdings sollte die Politik im 20. Monat der Krise bei jenen Faktoren ansetzen, die tatsächlich etwas am Infektionsgeschehen bewirken können. Hierfür würde sich der Einbezug vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse lohnen, um Kollateralschäden abzuwenden. Weitere Verschärfungen im Handel zählen jedenfalls nicht dazu, immerhin sind laut AGES zurzeit nur 0,1 Prozent aller Infektionen auf das Einkaufen zurückzuführen. Stattdessen sollten endlich die tatsächlichen Corona-Hotspots reduziert werden.

Umsatzersatz "neu" für betroffene Unternehmen

Nachdem die Empfehlungen im Sommer nicht aufgegriffen wurden, ist es besonders negativ, dass der Handel nun als Hebel verwendet wird, um Kontakte zu reduzieren, obwohl die Branche kein Corona-Hotspot ist. Wir fordern Wirtschaftshilfen und insbesondere einen Umsatzersatz ‚neu‘, der alle betroffenen Unternehmen zeitnahe erreicht, denn die doppelten Gehälter stehen an und wir verlieren rund ein Drittel der Umsätze außerhalb des Lebensmitteleinzelhandels durch diesen Eingriff. Arbeitsplatzsicherheit muss Zug um Zug mit der Pandemiebekämpfung einhergehen. Bundesweit erwarten wir durch den Lockdown für Ungeimpfte einen Umsatzeinbruch von bis zu 350 Millionen Euro wöchentlich im stationären Non-Food-Handel", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Jeff Mangione / KURIER / picturedesk.com

Jeder Stich zählt!

Die vom Handelsverband bereits im Juni 2021 empfohlen Maßnahmen wurden bis dato nur vom Burgenland aufgegriffen. Dank 10.000 zusätzlichen Erstimpfungen stieg die Durchimpfungsrate auf 80 Prozent, der Spitzenwert in Österreich. Das wird oft kleingeredet, bedeutet jedoch ein Potenzial von 300.000 Erstimpfungen bundesweit – allerdings nur theoretisch, da dies verabsäumt wurde. Ein großer politische Fehler, der jedoch mit Blick auf den dritten Stich nicht wiederholt werde muss. Impfdurchbrüche könnten verhindert und auch viele Menschen zur Erstimpfung bewogen werden.

Befragungen zu positiven Anreizen wie Impfprämien zeigen die Potenziale ebenfalls auf: 38 Prozent der Impfskeptiker und 8 Prozent der Impfgegner würden sich bei Erhalt eine 50 Euro Gutscheines eher impfen lassen - das hat eine repräsentative Umfrage des Handelsverbandes im Juli 2021 belegt. Aber auch Aufklärung sowie postalische Anschreiben mit fixem Impftermin würden helfen. Daher ruft der österreichische Handel im Kollektiv weiterhin die Bevölkerung auf, das kostenfreie Impfangebot zu nutzen. In allen Arztpraxen und Kinosälen des Landes läuft der Aufruf.

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    ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com