Szene
Goldene Palme? Wiener Regisseurin begeistert in Cannes
Jessica Hausners Werke wurden bereits mehrmals in Cannes gezeigt. Dieses Jahr scheinen ihre Chancen auf eine Palme besonders gut zu stehen.
Essen ist ein notwendiger Bestandteil im Alltag jedes Menschen und dabei weitaus mehr als das bloße zu sich nehmen von Nahrung. Welche Lebensmittel wir an welchen Orten mit wem essen, kann Auskunft über unsere Gesundheit, unseren finanziellen und sozialen Stand oder sogar über unsere politischen Überzeugungen geben. Eine Möglichkeit die Ernährung zu instrumentalisieren und mit "bewussten Essen" Jugendliche bis in den Hungertod zu manipulieren, zeigt Jessica Hausner (50) in "Club Zero".
Die Geschichte der Regisseurin spielt sich an einer Eliteschule ab. Im Zentrum des Geschehens steht die frisch angestellte Ernährungslehrerin Miss Novak, gespielt von der australischen Schauspielerin Mia Wasikowska (33), die ihren fünf Schützlinge Elsa, Fred, Ragna, Helen und Ben zeigt, wie sie durch langsames und fokussiertes Kauen weniger Essen zu sich nehmen müssen.
Die von ihren Eltern enttäuschten und sich grundsätzlich missverstanden fühlenden Jugendlichen nehmen die strengen aber liebevoll vorgetragenen Ratschläge ihrer neuen Bezugsperson dankend an. Denn obwohl die Anweisungen von Miss Novak kontinuierlich radikaler werden und die Teenager mit immer weniger Nahrung vorlieb nehmen müssen, zweifeln weder die Betroffenen noch ihre Eltern die pädagogischen Maßnahmen an. Was gibt es auch daran auszusetzen, wenn der Nachwuchs etwas Gewicht verliert? Und schließlich handelt es sich bei den Empfehlungen der Ernährungsexpertin nur um sachliche Vorschläge, oder nicht?
Erst als sich die Kinder bereits mitten in einer bedrohlichen Essstörung befinden, schrillen die ersten Alarmglocken. Doch da ist ihr Alltag von den Ansichten der manipulativen Pädagogin bereits vollkommen eingenommen worden. Die überrumpelten Eltern sehen sich damit konfrontiert, jegliche Warnsignale übersehen und die Jugendlichen an fragwürdige Überzeugungen verloren zu haben.
Jessica Hausner in Cannes
Am 22. Mai feierte der Sozialsatire-Film in Cannes seine Weltpremiere und kam auch bei dem Publikum äußerst gut an. Mit ihrem bitterbösen Psychodrama kann die Wienerin sogar auf die höchste Auszeichnung hoffen: die Goldene Palme. Die österreichische Regisseurin zählt seit ihrem ersten Langfilm "Lovely Rita", den sie 2001 vorstellte, zu den Stammgästen der renommierten Filmveranstaltung. Außerdem feierten ihre Werte "Hotel", "Lourdes" und "Amour Fou" in Cannes Premiere. Für "Little Joe", ihren Sci-Fi-Horror-Film, mit dem Hausner 2019 antrat, erhielt Emily Beecham (39) eine Auszeichnung als Besten Darstellerin.
Aber nicht nur in ihrer Rolle als Filmemacherin war Hausner während der Filmfestspiele in der französischen Stadt zu gegen. 2021 nahm sie als Mitglied der Wettbewerbsjury die gezeigten Beiträge genau unter die Lupe. Gewonnen hatte in diesem Jahr der Horrorfilm "Titane" von Julia Ducournau (39), die diesmal als Jurorin über das Schicksal von "Club Zero" mitentscheiden darf.