"Maestro" startet auf Netflix
Geht Bradley Cooper wieder auf Oscar-Kurs?
Alle guten Dinge sind zehn? Neun Mal war Bradley Cooper (48) bereit für einen Oscar nominiert, mit "Maestro" dürften es noch mehr werden…
Bradley Cooper ist so etwas wie ein Umfragekaiser. Denn neben seinen neun Oscar-Nominierungen und war der Schauspieler, Regisseur und Produzent auch sechsmal für den Golden Globe nominiert. Gewonnen hat er aber am Ende nichts davon. Immerhin hat es für zwei Grammys für die Musik und den Titelsong zu seinem Regiedebüt "A Star is born", im dem er neben Lady Gaga glänzte, gereicht. Der frühere "Hangover"-Star ist schnell zu einem der brillantesten Darstellern in Hollywood aufgestiegen und sein am Mittwoch startender Biopic "Maestro" über Leonard Bernstein (1918-1990) ist ein sensibel gedrehtes und grandios gespieltes Meisterwerk. Alles andere als ein ganzer Regen an weiteren Nominierungen für Cooper, als bester Regisseur, Autor, Hauptdarsteller und Filmemacher, wäre eine große Überraschung. Und in einem normalen Kinojahr hätte Cooper auch Chancen gehabt im nächsten März zum großen Abräumer zu werden. Doch alleine wegen "Barbie" und Oppenheimer" ist Cooper ziemlich chancenlos…
Vergessen sie bitte die Nase. Als im Sommer 2023 erste Szenenbilder von Bradley Cooper mit der für Bernstein typischen großen Nase auftauchten, war der Aufschrei kurz, aber laut: Weil Cooper beim Dreh eines Film über den Juden Leonard Bernstein eine Nasenprothese trug, wurde ihm "Jewfacing", also eine stereotype und somit antisemitische Darstellung Bernsteins vorgeworfen. Die kurze Debatte endete damit, dass Leonard Bernsteins Kinder vor die Presse traten und meinten, ihr Vater hätte einfach eine große Nase gehabt und Cooper habe nichts falsch gemacht. Also wie gesagt, vergessen sie die Nase, die ist egal. Was aber aber tatsächlich umwerfend ist, ist wie Cooper sich auch jenseits von Make Up und Special Effets in den Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein verwandelt. Um das wahrlich schätzen zu können, empfiehlt es sich, sich vor dem Anschauen von "Maestro" auf Netflix auf youtube irgendeinen Auftritt Bernsteins am Dirigentenpult und irgendein Interview ansehen. Denn wie intensiv Cooper die Gestik, die Mimik und die Sprache Bernsteins eingefangen hat, ist überwältigend.
Der Film ist weniger ein Biopic über das Leben von Leonard Bernstein als eine Geschichte über seine Ehe mit der Schauspielerin Felicia Montealegre (Carey Mulligan). Diese beginnt mit einer ganz klaren rosaroten Brille, was beeindruckend ist, denn die erste Hälfte des Film, die ab den 1940ern spielt, ist in schwarzweiß gehalten. Die Liebe, die zwischen Leonard und Felicias geherrscht hat, spielen Cooper und Mulligan glaubwürdig, ebenso wie den Umstand, dass sie für ihn nicht genug war. Der Ehealltag wird - trotz der gemeinsamen Kinder - immer mehr von Affären bestimmt, wobei sich Bernsteins Fokus immer stärker von Frauen zu Männern verschiebt. Felicia spielt nach außen die brave Ehefrau und fördert ihren Mann wo sie nur kann. Innerlich sieht es aber anders in Felicia aus. Die Zerrissenheit Felicias, die weiß, wie wichtig sie im Leben von Leonard Bernstein, sein Glück und seinen Erfolg ist, ist eines der Highlights des Films.
Zum Vergleich: Hier dirigierte der echte Leonard Bernstein 1973 Gustav Maler
In "Maestro" zeigt Bradley Cooper einen gespaltenen Leonard Bernstein abseits des Scheinwerferlichts, der sich oft im Leben nicht entscheiden kann. Entscheiden, ob er nun ein Dirigent oder ein Komponist sein will, ein treuer Familienvater oder ein Lebemensch, der gerne ausschweift, ein gefeierter Star oder ein zurückgezogener Künstler. Mulligan und Cooper sind als Darsteller ein Traum und die beiden funktionieren miteinander so gut, dass man sich einen schöneren Ausgang für die Geschichte der beiden wünschen würde, als es in der Realität der Fall war. Die letzten Monate im Leben der schwer lungenkrebskranken Felicia verbrachte Bernstein nach einer längeren Trennung wieder an ihrer Seite…
Neben großartigen Schauspielern, großartigen Kostümen und großartiger Musik gibt es einen weiteren Hauptdarsteller im Film: Die Zigaretten. Sowohl Leonard Bernstein, als auch seine Frau sind jung an den Folgen des Rauchens gestorben, was bei der puren Menge an alleine vor der Kamera gerauchten Zigaretten auch kaum verwundert. Nachdem man sich den Film auf Netflix angeschaut hat, schadet es also sicher nicht, kurz einmal zu lüften. Abgesehen davon, macht "Maestro" große Lust darauf, sich auch nach dem Ende des Films mit diesem tollen Künstler zu befassen. Und das ist - neben allen Oscars - wohl die größte Auszeichnung für einen guten Biopic.