Phlegräische Felder
Geheimpapier: Magma weit höher gestiegen als angenommen
In der Nähe von Neapel bebt seit längerer Zeit immer wieder die Erde. Nun erwägt der Katastrophenschutzminister die Alarmstufe zu erhöhen.
Seit Monaten wird die dicht besiedelte Region im Westen der Millionenstadt Neapel von kleinen und größeren Erdbeben erschüttert: allein seit Anfang September mehr als 1500. Die Erdbeben könnten die Vorboten einer gewaltigen vulkanischen Eruption sein. Als besonders gefährdet gilt die Hafenstadt Pozzuoli. Das letzte sogenannte Schwarmbeben erschütterte hier am 23. November die Erde.
Experten erwägen Erhöhung der Alarmstufe
Hatte man bisher die Bevölkerung beruhigt und betont, aktuell erhitze hier das Magma lediglich in sieben bis acht Kilometern Tiefe das Grundwasser, gehen Experten mittlerweile offenbar von einem größeren Risiko aus. So hat der italienische Katastrophenschutzminister Nello Musumeci an Sitzungen vom 26. und 27. Oktober gesagt, die Alarmstufe müsse womöglich von gelb auf orange erhöht werden, wie der "Merkur" berichtet.
Der "Corriere del Mezzogiorno" ist jetzt an das sechsseitige Sitzungsprotokoll gelangt – und dieses hat es in sich. Ihm sei zu entnehmen, dass das Magma "mit ziemlicher Sicherheit von einem sieben bis acht Kilometer tiefen Reservoir zu einem anderen vier Kilometer tiefen Reservoir aufgestiegen" ist. Laut Wissenschaftlern sei dies bereits zwischen 2015 und 2022 geschehen – neuere Daten fehlten.
Plötzliche Explosion möglich
Die erhöhte Gefahr leiten die Wissenschaftler von Satellitenbildern ab, welche belegen, dass sich die Erde in der Region von Pozzuoli seit Jahren anhebt – wegen des Drucks, der von unten kommt. Dabei sprechen die Modellierungen der Experten dafür, dass nicht nur hydrothermaler, also durch Wasserdampf entstandener Druck dafür verantwortlich ist, sondern auch eine magmatische Quelle. Auch Gasanalysen weisen auf eine vermehrte Beteiligung von Magma hin.
Eine etwa 100 bis 200 Meter tief gelegene, "lehmige und undurchlässige" geologische Struktur wirkt nach aktuellen Erkenntnissen derzeit noch als eine Art riesiger Korkenverschluss, der eine massive unterirdische Wasserdampf-Explosion verhindert. Eine solche Explosion könnte sich jedoch ohne jegliche Vorwarnung ereignen, und dann wäre der Weg für die Lava frei gesprengt.
Dass ein Ereignis wohl schon stark näher gerückt ist, belegt die Schlussfolgerung der Katastrophen-Kommission: "Bei den aktuellen Verformungsraten kann sich der Krustenbruchprozess noch weiter beschleunigen, bis in einem Zeithorizont zwischen einigen Monaten und einigen Jahren kritische Bedingungen erreicht werden."
Gewaltige Eruption vor 39.000 Jahren
Die Gegend trägt die Gefahr schon im Namen: Campi Flegrei, wörtlich übersetzt: Brennende Felder. Die Wissenschaft hat daraus mit etwas mehr Zurückhaltung die Phlegräischen Felder gemacht. Der hiesige Vulkan ist kein wohlgeformter Berg wie der Vesuv, der seit seinem spektakulären Ausbruch auf Pompeji im Jahr 79 Neapels Panorama so schön beherrscht. Auf den Campi Flegrei schlummert die Gefahr im Boden, man sieht sie nicht: ein insgesamt 150 Quadratkilometer großes Areal aus Dellen, Kratern und Geysiren, zu großen Teilen im Meer versteckt.
Vor 39.000 Jahren war dies der Schauplatz der größten vulkanischen Eruption der letzten Hunderttausend Jahre auf dem europäischen Kontinent. Darum wird das Gebiet auch als Supervulkan bezeichnet. Supervulkane zeichnen sich durch eine besonders große Magmakammer und enorme Gewalt aus: Anders als normale Vulkane explodieren sie regelrecht.