Wien

Geflüchteter kellnert sich zum Elektrotechniker

Der 19-jährige Brusk ist seinem Traumjob als Elektrotechniker ein Stück näher. Mentor Barış unterstützte ihn dabei, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.

Yvonne Mresch
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Dem Traumberuf Elektrotechniker einen großen Schritt näher: Brusk (li.) mit seinem Mentor Barış.
Dem Traumberuf Elektrotechniker einen großen Schritt näher: Brusk (li.) mit seinem Mentor Barış.
Sabine Hertel

Bereits in der Schulzeit half Brusk in der Werkstatt seines Vaters im Norden Syriens aus. Für den Jugendlichen stand schon damals fest, dass er irgendwann in einem handwerklichen Beruf arbeiten wollte. 2015 flüchtete er nach Österreich und baute sich in Wien ein neues Leben auf. Doch von seinem Traumberuf war der 19-jährige noch weit entfernt. "Ich wollte nicht zuhause sitzen und nichts tun. Also habe ich als Kellner gejobbt. Aber das war nicht das, was ich eigentlich tun wollte", erinnert er sich. "Und gerade als meine Motivation am Boden war, erfuhr ich von 'Hands on Mentoring'".

Vom Lebenslauf bis zur Jobzusage

Das Projekt "Hands on Mentoring" unterstützt junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren bei der Arbeits- und Lehrstellensuche. Initiiert wurde es im Februar 2016 von der Erzdiözese Wien gemeinsam mit dem Integrationshaus und der Caritas. Träger des Projektes ist der Verein "Kirche und Arbeitswelt Hands-on". 63 Mentoren sind derzeit im Einsatz, betreuen und unterstützen die Mentees auf der Suche nach ihrem Traumjob. Der Fokus liegt derzeit vor allem auf der Unterstützung junger Menschen, die durch Covid-19 und die damit verbundene hohe Jugendarbeitslosigkeit noch weniger Perspektiven haben. 

Für Brusk eröffnete die Initiative völlig neue Wege. Gemeinsam mit Mentor Barış (31) arbeitete er an seinen Bewerbungsunterlagen, trainierte Vorstellungsgespräche und holte sich Rat sowie einen Schub Motivation. 1,5 Stunden pro Woche verbrachten die beiden gemeinsam. Der 31-jährige Betriebswirtschaftler kam während der Coronakrise zu "Hands on Mentoring". "Der Gedanke, Jugendliche mit Migrationshintergrund zu unterstützen, war schon immer da", erzählt er. "Ich habe selbst türkische Wurzeln und wurde während meiner Schulzeit, als Teenager, bei der Jobsuche konstant benachteiligt. Wenn ich mich mit Freunden gleichzeitig für eine Stelle beworben habe, wurde ich nicht einmal eingeladen, obwohl meine Zeugnisse wesentlich besser waren." Das änderte sich für den heute 31-jährigen durch höhere Bildungsabschlüsse. Seine Vergangenheit hat er aber nie vergessen und entschloss sich, als er pandemiebedingt in Kurzarbeit war, ehrenamtlich als Mentor tätig zu werden. Zwei Jugendlichen konnte Barış bisher zu einer Stelle verhelfen – darunter auch Brusk.

"Als Mentor ist man auch Motivationscoach"

Wichtig sei dabei, nicht nur beim "Handwerk" zu helfen, sondern auch mental zu unterstützen, erklärt Barış. "Jugendliche brauchen eine Struktur. Man muss ihnen aber auch helfen, mit Rückschlägen umzugehen, ihnen erklären, dass es nichts Persönliches ist und sie weiterkämpfen sollen. Ich bin quasi ein Motivationscoach." Das kann sein Schützling nur bestätigen: "Er kann Leute gut überzeugen und hat mir wirklich geholfen." Im Herbst begann Brusk eine Lehrstelle als Elektrotechniker – sein absoluter Traumberuf. "Ich bin sehr glücklich und genau richtig in diesem Job", strahlt er. Zwischen ihm und seinem Mentor ist inzwischen eine Freundschaft entstanden. "Wir haben weiterhin Kontakt, gehen Kaffee trinken oder unternehmen etwas", erzählt Brusk. Für Barış sind es die Erfolgsmomente, die seine ehrenamtliche Tätigkeit so besonders machen. "Das gibt mir Energie. Allein ein 'Danke' ist wirklich schön und man bekommt viel zurück." 

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    Mentor Baris (li.) half Mentee Brusk bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen.
    Mentor Baris (li.) half Mentee Brusk bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen.
    Sabine Hertel

    "Servieren keinen Job auf dem Silbertablett"

    Die Nachfrage nach Projekten wie "Hands on Mentoring" ist nicht zuletzt seit der Coronakrise enorm gestiegen, wie Geschäftsführerein Eva Rosewich bestätigt. Mentoren werden immer gesucht. Wer sich dafür interessiert sollte Empathie, Interesse an der Lebenswelt von Jugendlichen und vor allem Toleranz mitbringen. "Die Person sollte Herz, Hirn und Begeisterung haben", fasst die Chefin es zusammen. Bei den Berufsfeldern gibt es keine Einschränkungen, das perfekte Matching obliegt dann dem Verein. Wichtig für beide Seiten sei, so Rosewich, dass die Rollen klar dargestellt werden. "Wir servieren keinen Job auf dem Silbertablett, sondern stellen Weichen." Die Freiwilligen erhalten durch dein Verein fortlaufende Supervisionen sowie Fortbildungen im Bereich Jugendliche & Erwachsene und Diversity.

    Mentor organisiert Reitstunde für Kriegsopfer

    100 Jugendliche sind jährlich Teil des Projektes, etwa 70 Prozent kommen aus dem Ausland. 50 Mentees gelang es, sich mit Hilfe der Mentoren einen Ausbildungsplatz zu sichern. Rosewich erinnert sich hier an besonders emotionale Momente: "Es ist immer schön zu sehen, wenn Perspektiven geschaffen werden. Einem Mentee wurde im Krieg das Beim weggebombt. Unser Mentor hat für den leidenschaftlichen Pferde-Fan eine Reitstunde organisiert. Wenn man dann das Leuchten in den Augen sieht – Das sind besondere Momente." 

    Für Brusk war die Zeit bei "Hands on Mentoring" einschneidend und er sagt: "Ich kann es nur weiterempfehlen, denn ohne Hilfe kommt man nicht immer weit." Der 19-jährige will nun seine Lehre abschließen und sich irgendwann auch als Elektrotechniker selbstständig machen. Er hat seinen Traumberuf gefunden und sagt: "Ich bin Barış sehr dankbar – aber auch sehr stolz auf mich!"

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